Die Frauenrechtskonvention CEDAW (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women) wurde 1982 von Österreich ratifiziert. So wie für die meisten internationalen Konventionen gibt es auch für CEDAW ein Fakultativ- oder Zusatzprotokoll, das den Weg für Individualbeschwerden frei macht und im Jahr 2000 von Österreich ratifiziert wurde.
Magna Charta der Frauenrechte
CEDAW wird immer wieder als „Magna Charta“ der Frauenrechte bezeichnet. Silvia Ulrich, Vorständin am Institut für Legal Studies der Johannes Kepler Universität in Linz (Foto: Ulli Engleder), weiß warum: „CEDAW ist das erste Menschenrechtsdokument, das speziell auf die Unrechtserfahrungen von Frauen abstellt und den vollen und gleichberechtigten Genuss der universellen Menschenrechte auch für Frauen einmahnt“, erklärt sie. Die Frauenrechtskonvention verlange von den Vertragsstaaten umfassende Maßnahmen zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen und betreffe sämtliche Lebensbereiche vom Erwerbsleben über die politische Partizipation bis zu Bildung, Gesundheit, Sport und Kultur.
Berichtsverfahren mit kritischem follow-up
Das Staatenberichtsverfahren im Rahmen von CEDAW bewertet Ulrich als durchaus positiv. In den vergangenen Jahren hätte sich die österreichische Politik bemüht, Empfehlungen des CEDAW-Komitees umzusetzen. Dazu zählt die Juristin zum Beispiel den Ausbau des Gewaltschutzes und die Einführung des Nationalen Aktionsplanes gegen Gewalt. Erst im Frühjahr hat Österreich übrigens den letzten Vorbehalt zur Frauenrechtskonvention zurückgezogen, auch das wertet Ulrich als Erfolg.
Neben den konkreten Maßnahmen, die von der Bundesregierung als Antwort auf die CEDAW-Empfehlungen gesetzt werden, sieht Silvia Ulrich allerdings auch noch weitere Ergebnisse, die direkt aus dem Staatenprüfverfahren resultieren. So werde die Liste der Empfehlungen durch das CEDAW-Komitee immer länger, für Ulrich ein Indiz dafür, dass „vermehrt auf die kritische Informationen des Schattenberichts zurückgegriffen wurde.“ (Anmerkung der Redaktion: Der CEDAW-Schattenbericht zu Österreich wurde von der Initiative Frauenrechte.jetzt koordiniert). Außerdem diene jeder Berichtszyklus dazu, die Bekämpfung der Geschlechterdiskriminierung auf der politischen Agenda zu halten, Versäumnisse zu diskutieren und Reformprozesse anzustoßen. „Auch in Österreich wird nach jedem Berichtsverfahren ein kritischer follow-up Diskurs lanciert“, zeigt sich Ulrich zufrieden.
Lange Liste mit Hausaufgaben für die Regierung
Wer jetzt denkt, Österreich hätte in Bezug auf die CEDAW-Empfehlungen alle seine Hausaufgaben gemacht, irrt aber gewaltig. Die Liste der Empfehlungen, die unbedingt noch umgesetzt werden sollten, ist lang. Silvia Ulrich zählt die „altbekannten rechtspolitischen Baustellen“, wie sie es nennt, auf: Abbau von Geschlechtsstereotypen, Verwirklichung der gemeinsamen Verantwortung für familiäre Aufgaben, Reduktion der Teilzeitarbeit von Frauen, effektive Maßnahmen gegen die große Einkommensdifferenz, Benachteiligung von Migrantinnen am Arbeitsmarkt.
Auch das levelling-up, also die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen für alle Diskriminierungsgründe wird vom CEDAW Komitee immer wieder gefordert. Dabei ist Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bereits innerhalb und außerhalb der Arbeitswelt verboten. Trotzdem wäre diese Ausweitung wichtig, erklärt Ulrich: „Die Verbreiterung des Rechtsschutzes würde den Schutz vor Mehrfachdiskriminierung von Frauen auch in diesem Bereich wesentlich verbessern.“
Zwei Individualbeschwerden aus Österreich
Jedes Jahr werden in Österreich Frauen von ihren (ehemaligen) Partnern ermordet (Quelle: www.aoef.at Anmerkung der Redaktion: mit der Kampagne Silent Witnesses gedenkt der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser den Frauen, die von ihren Partnern umgebracht wurden. Abbildung: Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser). Auch Fatma Y. und Sahide G., zwei türkische Staatsbürgerinnen, die mit ihren Familien in Österreich lebten, wurden umgebracht. Beide Frauen haben massive Gewalt durch ihre Ehemänner erlebt und in der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt Hilfe gesucht. Und obwohl die Mitarbeiterinnen alles versucht haben um die beiden Frauen zu schützen, haben die österreichischen Gesetze nicht ausgereicht, um sie zu retten: Fatma Y. wurde 2002 auf dem Heimweg von der Arbeit von ihrem Ehemann erstochen. Sahide G. wurde 2003 im Beisein ihrer beiden minderjährigen Töchter von ihrem Ehemann erschossen. Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie und der Verein Frauenrechtsschutz haben daraufhin im Namen der ermordeten Frauen und ihrer Hinterbliebenen Beschwerde beim UN-CEDAW-Komitee eingebracht. In der Beschwerde haben sie argumentiert, dass der Staat Österreich es verabsäumt habe, mit angemessener Sorgfaltspflicht das Leben dieser beiden Frauen zu schützen.
Für Silvia Ulrich hatten die beiden CEDAW-Beschwerden weitreichende Konsequenzen für die Verbesserung des Gewaltschutzes in Österreich. „Bereits während der laufenden Verfahren vor dem CEDAW-Komitee erfolgte eine Novelle zum Strafgesetzbuch, mit der das Delikt der gefährlichen Drohung im Familienkreis von einem Antrags- zu einem Offizialdelikt umgewandelt wurde“, erklärt sie. Aber das war bei weitem noch nicht alles: Das CEDAW-Komitee ist zum Schluss gekommen, dass der österreichische Staat nicht alles Notwendige unternommen hat, um die beiden Frauen vor der Gewalt ihrer Männer zu schützen und hat eine Reihe von Empfehlungen (Yildirim v. Austria und Goekce v. Austria) formuliert, um den Gewaltschutz in Österreich zu verbessern. Viele dieser Empfehlungen mündeten in direkte Maßnahmen zur Verbesserung des Gewaltschutzes in Österreich.
Trauriges Detail am Rande: Für die Hinterbliebenen der beiden Mordopfer waren die Beschwerden nicht unmittelbar hilfreich. Ihre Schadenersatzansprüche wurden als unbegründet abgewiesen.
Soeben erschienen: Kommentar zu CEDAW
Als Anregung um mehr mit der Frauenrechtskonvention und vor allem dem damit verbundenen Individualbeschwerdeverfahren zu arbeiten, hat Silvia Ulrich gemeinsam mit Erika Schläppi und Judith Wyttenbach einen Kommentar zu CEDAW verfasst, der am 5. Oktober im Bundesministerium für Bildung und Frauen präsentiert wird. Mit der Publikation sollen Frauenorganisationen und nicht zuletzt Betroffene ermutigt werden, das CEDAW-Individualbeschwerdeverfahren als Rechtsinstrument zu nützen.
Lesen Sie hier die Teile 1-5:
Teil 1: Diskriminierungsschutz und Menschenrechte: Neue Perspektiven in der Rechtsdurchsetzung
Teil 2: Wie funktioniert der Menschenrechtsschutz mit Konventionen? Die Staatenprüfung
Teil 4: Universal Periodic Review – Menschenrechte auf dem Prüfstand
Teil 5: Die Behindertenrechtskonvention – viel Potential, wenig Konkretes