Ab 1. Jänner 2016 ist das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) in vollem Umfang anzuwenden. Die Übergangsfrist für Unternehmen läuft aus und Barrierefreiheit ist somit verpflichtend. In den Medien wird manchmal berichtet, dass es sich hier um ein neues Gesetz zu Barrierefreiheit handle. Das BGStG ist allerdings schon 2006 in Kraft getreten. Der Privatwirtschaft wurde aber eine Frist von zehn Jahren eingeräumt, um Gebäude barrierefrei zu adaptieren. Neue Gebäude müssen sowieso nach den Richtlinien zur Barrierefreiheit gebaut werden.
Was heißt „barrierefrei“?
Barrierefreiheit beschränkt sich in der Definition des BGStG nicht nur auf Gebäude oder Gebäudeteile wie Stiegen. Umfasst sind vielmehr „bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung und andere gestaltete Lebensbereiche“ (§ 6 Abs. 5). Filme ohne Untertitel oder visuelle Anzeigen ohne Sprachausgabe sind also genau so als Barrieren zu betrachten wie Stufen, fehlende Aufzüge oder zu steile Rampen.
Bauten oder Kommunikationsmittel sind laut BGStG dann barrierefrei, wenn „… sie für Menschen mit Behinderungen in allgemein üblicher Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ (§ 6 Abs. 5)
Was gilt für den Bund?
Die Privatwirtschaft hatte also zehn Jahre lang Zeit, Neubauten barrierefrei zu gestalten oder bestehende Gebäude zu adaptieren. Für Bundes-Gebäude wurde die Frist sogar noch verlängert. Die Ministerien mussten sich lediglich verpflichten, Etappenpläne für die stufenweise Umsetzung der Barrierefreiheit vorzulegen.
Welche Rechtsinstrumente stehen bei mangelnder Barrierefreiheit zur Verfügung?
Wer sich aufgrund von fehlender Barrierefreiheit diskriminiert fühlt, kann eine Zivilrechtsklage auf Schadenersatz einbringen. Für ein Gerichtsverfahren ist eine gescheiterte Schlichtung Voraussetzung. Der Klagsverband hat in den vergangenen Jahren schon mehrmals Klägerinnen und Kläger bei Zivilrechtsprozessen unterstützt. Hier können Sie den Ausgang der Verfahren aus den Jahren 2011, 2012 und 2014 nachlesen.
Das BGStG wurde von Anfang an heftig kritisiert. Die Kritik richtete sich aber nicht nur gegen die Übergangsbestimmungen, die das Gesetz zahnlos machten. Eines der größten Defizite des Gesetzes sehen viele im fehlenden Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch. Wer bei einer Klage nach dem BGStG erfolgreich ist, bekommt vom Gericht zwar einen Schadenersatz zugesprochen. Die Barriere muss deshalb aber nicht beseitigt werden. Über das Verbesserungspotential im BGStG findet sich auf der Internetseite des Klagsverbands eine ganze Artikelserie.
Wem kommt Barrierefreiheit zugute?
In Österreich leben etwa 1,2 Millionen Personen mit einer körperlichen Behinderung, rund 660.000 Menschen haben eine Sinnesbehinderung. Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Österreich verpflichtet, Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilhabe an allen Lebensbereichen zuzusichern. Aber nicht nur Menschen mit Behinderungen wollen barrierefrei wohnen und ihren Alltag selbstbestimmt und autonom gestalten. Ältere Personen, Eltern mit Kinderwägen, Leute, die vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind: sie alle profitieren von Barrierefreiheit.
Noch Fragen?
Der Klagsverband hat sich im Rahmen eines Projekts gemeinsam mit der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) und WienWork mit den rechtlichen Fragen zu barrierefreiem Wohnbau auseinander gesetzt. Dabei ist eine Studie entstanden, die Sie hier herunterladen können.