Ein Urteil wegen Diskriminierung einer Bewerberin mit Behinderung gibt es aktuell in Deutschland: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat einer Frau, die sich um zwei RichterInnenstellen in zwei unterschiedlichen Bundesländern beworben hatte, eine Entschädigung zugesprochen, weil sie nicht zu den Vorstellungsgesprächen eingeladen wurde. Offiziell wurde die Bewerberin mit der Begründung abgewiesen, ihre Examensnoten erfüllen das Anforderungsprofil nicht. In der Klage wird jedoch die Vermutung formuliert, dass die Frau in beiden Fällen aufgrund ihrer Behinderung nicht für die Interviews in Betracht gezogen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht sprach der Juristin eine Entschädigung zu, die Höhe – die Klägerin hatte drei Monatsgehälter gefordert – muss noch durch die erstinstanzlichen Gerichte festgestellt werden.
Rechtslage in Deutschland
In Deutschland ist der öffentliche Arbeitgeber laut § 82 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) verpflichtet, Menschen mit Behinderung, die sich um eine freie Stelle bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einladung wäre nur entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich gefehlt hätte. Die beiden Bundesländer, bei denen sich die Juristin beworben hatte, waren der Ansicht, dass eben diese fachliche Eignung nicht vorliegt, weil die Juristin das erste und zweite jusristische Staatsexamen nur mit der Gesamtnote „befriedigend“ abgeschlossen hat.
Das sah das Bundesverwaltungsgericht jedoch anders und machte in seiner Entscheidung deutlich, dass ein Abstellen auf ein bestimmtes Notenniveau nur zulässig ist, wenn ein solches vorab und bindend im Anforderungsprofil festgelegt wurde. Die Nichteinladung der Klägerin widersprach also in beiden Fällen dem § 82 SGB IX.
Daraus ergab sich seitens des Gerichts die Vermutung, dass die Juristin aufgrund ihrer Behinderung nicht eingeladen und sohin diskrimiert wurde. Auch für den Fall, dass die Frau letzten Endes nicht eingestellt worden wäre, gebührt ihr nach § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine angemessene Entschädigung.
Rechtslage in Österreich
Eine derartige Verpflichtung für öffentliche Arbeitgeber, wie sie im SGB IX in Deutschland zu finden ist, gibt es in Österreich nicht. Das auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwendende Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) normiert in § 7b ein Diskriminierungverbot von Menschen mit Behinderung bei der Begründung eines Dienstverhältnisses.
Ist ein Dienstverhältnis wegen der Verletzung dieses Diskriminierungsverbots nicht begründet worden, so ist der Dienstgeber/die Dienstgeberin gegenüber dem Stellenwerber/der Stellenwerberin zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Der Ersatzanspruch beträgt mindestens zwei Monatsentgelte, wenn die Person bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte. 500 Euro erhält der Stellenwerber/die Stellenwerberin dann, wenn der Dienstgeber/die Dienstgeberin nachweisen kann, dass der durch die Diskriminierung entstandene Schaden allein darin besteht, dass die Berücksichtigung der Bewerbung verweigert wurde (§ 7e Abs 1 BEinstG).
Ensprächen die Qualifikationen der Frau denen in der Stellenausschreibung, so läge hier die Vermutung nahe, dass die Behinderung der Grund für die Nichteinladung zum Bewerbungsgespräch war. Diese Diskrimierung bgeründet auch nach österreichischem Recht einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung von mindestens zwei Monatentgelten. Zumindest jedoch auf 500 €, wenn dem Dienstgeber/der Dienstgeberin der Beweis gelänge, dass der Schaden allein in der Nichtberücksichtigung der Bewerbung besteht.
Hier geht’s zur Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts.