In Linz wird die Straßenbahn ausgebaut. Für die BenützerInnen öffentlicher Verkehrsmittel in der oberösterreichischen Landeshauptstadt eine gute Nachricht. Nicht so für Herrn F., der die Straßenbahn täglich für seinen Weg zur Arbeit nützt: Die neuen Haltestellen werden nämlich nicht mehr mit akustischer Sprachausgabe ausgestattet. Für den blinden Linzer bedeutet das eine massive Einschränkung in seinem Alltag. Nur zu Hause im Internet kann er sich über Betriebsstörungen und Verspätungen informieren, die Informationen an der Haltestelle sind ihm im Gegensatz zu allen anderen Fahrgästen nicht mehr zugänglich.
Herr F. nimmt diese Benachteiligung nicht hin. Mit Unterstützung des Klagsverbands klagt er die Linz Linien wegen Diskriminierung und nachdem in Österreich alle Instanzen ausgeschöpft sind, formuliert er eine Beschwerde an das UN-Komitee zur Überprüfung der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Der Ausgang dieses Verfahrens ist derzeit noch offen. (Folgen Sie diesem Link für nähere Informationen zu dieser Beschwerde.)
Konventionen verdeutlichen Menschenrechtsschutz
Die Behindertenrechtskonvention – BRK – ist aber nur eine von zahlreichen internationalen Konventionen, die nach der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte im Jahr 1948 entstanden sind. Diese völkerrechtlichen Verträge verdeutlichen Menschenrechtsfragen und sind die Basis für Gleichberechtigung und Chancengleichheit aller Menschen.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war der erste universelle Menschenrechtskatalog. Sie ist im Schatten des Zweiten Weltkrieges entstanden und kann als Reaktion auf den Nationalsozialismus verstanden werden. Die darin enthaltenen Diskriminierungsverbote beschränkten sich allerdings auf Hautfarbe, Religion oder Geschlecht.
„Die Konventionen spezifizieren die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.“ Volker Frey
Behinderung und sexuelle Orientierung hatten als schützenswerte Merkmale in diesem ersten internationalen menschenrechtlichen Dokument noch keinen Platz. Mit den Konventionen wurden diese Lücken nach und nach geschlossen. „Die Konventionen spezifizieren die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, drückt es Volker Frey, Gleichstellungsexperte beim Klagsverband, aus (siehe Bild). Sie spiegeln somit auch das wachsende Bewusstsein für Menschenrechte wider. Allerdings gibt es bis heute keine Konvention, die Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung schützt.
Rechtsdurchsetzung als Beschwerdeverfahren
Konventionen sind Übereinkommen, die Menschenrechte mit Augenmerk auf ein schützenswertes Merkmal formulieren. Die Liste dieser Merkmale spiegelt sich in nationalen Gesetzen wie zum Beispiel dem österreichischen Gleichbehandlungsgesetz wider. Zu den Merkmalen, die einen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung genießen, gehören in Österreich Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und Alter. Der Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen ist im Behindertengleichstellungsrecht geregelt.
Während Diskriminierung aufgrund dieser Merkmale in Österreich zivilrechtlich geklagt werden kann, gibt es bei völkerrechtlichen Verträgen nur die Möglichkeit, Beschwerden gegen die Vertragsstaaten zu formulieren. Ob diese Individualbeschwerdeverfahren ein taugliches Rechtsmittel sind, um sich gegen Diskriminierung zu wehren, wollen wir in dieser Artikelserie überprüfen.
Wir haben mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Gleichstellung und Antidiskriminierung gesprochen und sie nach ihrer Einschätzung gefragt.
Diese Konventionen werden wir in den folgenden Wochen näher vorstellen:
- UN-Behindertenrechtskonvention (BRK oder Convention on the Rights of Persons with Disabilities CRPD)
- Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung (International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination ICERD)
- Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination Against Women CEDAW)
Neben den Konventionen werden wir uns aber auch mit einem weltweit einzigartigen Prozess zur Überprüfung der Menschenrechte, der Universal Periodic Review oder UPR auseinandersetzen.
Doch bevor wir die Konventionen im Einzelnen vorstellen, wird sich die Artikelserie mit den Besonderheiten von internationalen Konventionen und den darin enthaltenen Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung beschäftigen.
Lesen Sie hier – Teil 2: Wie funktioniert der Menschenrechtsschutz mit Konventionen? Die Staatenprüfung