Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den internationalen Konventionen und nationalen Antidiskriminierungsgesetzen und wie beeinflussen völkerrechtliche Verträge die innerstaatlichen Gesetze? Diese Fragen haben wir Anna Ritzberger-Moser gestellt. Die Juristin ist Sektionsleiterin im Sozialministerium und Expertin für das österreichische Gleichbehandlungsgesetz (GlBG).
Das Gleichbehandlungsgesetz in seiner Urform von 1979 ist aufgrund von völkerrechtlichen Vorgaben und den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO entstanden. ILO Übereinkommen sind rechtsverbindlich und regeln zum Beispiel Standards für den Mutterschutz. Mit der Novelle des GlBG im Jahr 2004 wurde nicht nur der Geltungsbereich des Gesetzes, sondern auch die Gründe, die vor Diskriminierung geschützt waren, ausgeweitet. Bis zu diesem Zeitpunkt war ausschließlich Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in der Arbeitswelt geschützt. Diese Erweiterung des Gleichbehandlungsgesetzes war längst überfällig und aufgrund der Antidiskriminierungs-Richtlinien der EU notwendig.
„Wichtige Instrumente für die innerstaatliche Rechtsentwicklung“
Für Anna Ritzberger-Moser (Foto: privat) sind die UN-Konventionen wichtige Instrumente, um die innerstaatliche Rechtsentwicklung voranzutreiben. „Sie unterstützen dort, wo man innerstaatlich vielleicht zögert“, erklärt die Sektionschefin und ergänzt, „mit dem Hinweis auf ein internationales Instrument ist ja immer auch das Argument verbunden, dass das Thema in der Staatengemeinschaft mehrheitlich für relevant erachtet wird, sodass man sich dem als einzelner Staat nicht entziehen kann.“ Als „Rückenwind für die Menschenrechtsentwicklung in einem Land“ würde sie diesen Prozess bezeichnen.
Dabei ist es ihr aber wichtig zu betonen, dass kein Staat auf internationale Vorgaben warten müsse, um den Schutz vor Diskriminierung auszubauen. Dieser gesellschaftlichen Entwicklung dürfe sich kein Land verschließen, auch wenn der „innerstaatliche Diskussionsaufwand dabei nicht zu unterschätzen ist“, so Ritzberger-Moser.
„Dazu gibt es keinen politischen Konsens.“
Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz spiegelt in seiner Struktur die internationalen Konventionen wieder. Während zentrale menschenrechtliche Dokumente wie die Anti-Rassismus-Konvention CERD abgebildet sind, klaffen dort große Lücken, wo es keine völkerrechtlichen Vorgaben gibt: Die Gründe Religion, sexuelle Orientierung und Alter sind in Österreich außerhalb der Arbeitswelt nach wie vor nicht geschützt. Eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes, das sogenannte Levelling-up ist eine langjährige Forderung der Zivilgesellschaft, die trotz zahlreicher Bemühungen immer am Widerstand einzelner Regierungsparteien scheitert. Auch die internationalen Konventionen bieten in dieser Hinsicht keine Unterstützung, denn Alter und sexuelle Orientierung wurden bislang in den völkerrechtlichen Verträgen zum Menschenrechtsschutz ebenfalls nicht berücksichtigt. Für den Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Alters sieht Ritzberger-Moser im UN-Aktionsplan für das Alter erste Überlegungen. Ihr sei aber bewusst, dass es sich dabei nicht um ein Menschenrechtsinstrument handelt.(Foto: FOTOMA Thomas Koller)
Was den fehlenden Diskriminierungsschutz bei sexueller Orientierung betrifft, vermutet die Sektionschefin, „dass es dazu keinen politischen Konsens gibt.“ Die Gleichbehandlungsexpertin bezeichnet die EU als wichtigen Player bei dieser Frage. Schließlich lassen sich aus den EU-Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsrichtlinien wichtige Vorgaben ableiten. Vor allem die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78, die allerdings auf die Arbeitswelt beschränkt ist, kommt ihrer Meinung nach hier zum Tragen.
Um den Diskriminierungsschutz endlich auch für das Merkmal sexuelle Orientierung außerhalb der Arbeitswelt auszuweiten, wäre es deshalb dringend notwendig, die EU-Richtlinie, die seit 2008 verhandelt wird, zu verabschieden. Diese sogenannte horizontale Richtline hat zum Ziel den Diskriminierungsschutz zu vereinheitlichen und würde auch das Merkmal sexuelle Orientierung abdecken. Nachdem für den Beschluss einer Richtlinie aber Einstimmigkeit gefordert ist, und einige Staaten konsequent blockieren, läßt ein Abschluss seit Jahren auf sich warten.
„Nicht geeignet, strukturelle Diskriminierungen zu verfolgen“
Anna Ritzberger-Moser ist es ein Anliegen, auf die Struktur und die damit einhergehenden Eigenheiten des Gleichbehandlungsgesetzes hinzuweisen: „Das GlBG ist darauf ausgerichtet, Einzelfalldiskriminierungen als solche aufzuzeigen und zu sanktionieren. Es hat daher nur eingeschränkte generalpräventive Wirkung und ist nicht geeignet, strukturelle Diskriminierungen zu verfolgen.“ Im Bildungsbereich seien strukturelle Benachteiligungen wegen der sozialen Herkunft vielfach mit der ethnischen Zugehörigkeit verknüpft, nennt sie ein Beispiel. Hier könne das Gleichbehandlungsgesetz mit seinem individuellen Ansatz aber keine taugliche Antwort geben.
„Internationale Antworten als Reaktion auf nationale Probleme“
Insgesamt bewertet Anna Ritzberger-Moser das Zusammenspiel von internationalen und nationalen Rechtsvorgaben aber durchaus positiv: „Internationale Instrumente fallen ja nicht vom Himmel, sondern sind Reaktionen auf reale Entwicklungen in den Staaten, auf Krisen oder Konflikte, die zeigen, dass es für diese Themen internationale Antworten braucht.“ Und obwohl sie es in diesem Gespräch schon einmal gesagt hat, möchte sie zum Abschluss betonen, „dass kein Staat auf internationale Instrumente warten muss, um den Schutz vor Diskriminierung auszubauen.“
Lesen Sie hier die Teile 1-6:
Teil 1: Diskriminierungsschutz und Menschenrechte: Neue Perspektiven in der Rechtsdurchsetzung
Teil 2: Wie funktioniert der Menschenrechtsschutz mit Konventionen? Die Staatenprüfung
Teil 4: Universal Periodic Review – Menschenrechte auf dem Prüfstand
Teil 5: Die Behindertenrechtskonvention – viel Potential, wenig Konkretes
Teil 6: Frauenrechte sind Menschenrechte. Die Frauenrechtskonvention CEDAW