In einem aktuellen Urteil berücksichtigt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erstmals in Österreich das Naheverhältnis von Personen, die nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) diskriminiert wurden. Nicht nur den drei jungen Männern, die aus rassistischen Gründen nicht in einen Club am Wiener Gürtel eingelassen wurden, hat der Richter in seinem Urteil einen Schadenersatz zugesprochen. Auch bei drei weiteren jungen Männern und zwei Frauen, die alle gemeinsam mit ihren drei Freunden feiern wollten, wurde eine indirekte Diskriminierung aufgrund ihres Naheverhältnisses festgestellt.
„Diskriminierung aufgrund des Naheverhältnisses wurde bisher in Österreich noch nie in einem Verfahren geltend gemacht“, erklärt Andrea Ludwig. Die Klagsverbands-Juristin hat die Klage für die Gruppe von acht Personen eingebracht. „Das vorliegende Urteil zeigt sehr deutlich, dass Diskriminierung nicht nur für die unmittelbar betroffenen Personen eine massive Würdeverletzung bedeutet, sondern dass auch Personen aus dem Umfeld betroffen sein können“, erklärt die Juristin.
Schnelles Party-Ende nach rassistischer Einlassverweigerung
Tatsächlich waren von der Freund_innen-Gruppe, die aus insgesamt acht Personen bestanden hat, drei junge Männer an der Tür rassistisch diskriminiert worden. „Sie seien Leute, die zu Problemen führten“, meinte der Türsteher zu den drei österreichischen Staatsbürgern, denen er aufgrund ihres Äußeren einen Migrationshintergrund zugeschrieben hat. Damit war die Party für die gesamte Gruppe zu Ende. Dazu gehörten drei weitere junge Männer, die vom Türsteher als Österreicher eingeordnet wurden und keine Probleme beim Einlass hatten, sowie zwei junge Frauen, die bereits im Club waren und auf den Rest der Gruppe gewartet hatten.
Nachdem die Männer die Einlassverweigerung nicht einfach so hinnehmen wollten, hatte sich eine Diskussion mit dem Türsteher entwickelt. Auch die beiden Freundinnen waren zum Eingang gekommen um sich daran zu beteiligen. Am Ende wurden nicht nur die jungen Männer nicht eingelassen auch die beiden Frauen, die den Eintritt bereits bezahlt hatten, mussten den Club verlassen.
„Für männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund ist es normal, nicht in jeden Club eingelassen zu werden“, erklärt dazu einer der Kläger und zeigt sich erfreut über das Urteil, „Wir freuen uns, dass wir den Schritt gewagt haben, uns gegen diese Ungerechtigkeit zu wehren. Der Prozess hat sehr lange gedauert, aber unser aller Durchhaltevermögen hat sich ausgezahlt. Hoffentlich ist das ein erster Schritt, um das Bewusstsein vieler Menschen zu ändern.“
Schadenersatz „sehr niedrig“
600 Euro Schadenersatz hat der Richter den drei jungen Männern für die erlittene Würdeverletzung zugesprochen. Die anderen aus der Gruppe erhalten aufgrund einer Diskriminierung durch Assoziierung jeweils 350 Euro, bei den zwei Frauen wird auch noch das bereits bezahlte Eintrittsgeld von 25 Euro zum Schadenersatz dazugezählt. Für Andrea Ludwig sind diese Summen „sehr niedrig“. Sie könne keine abschreckende Wirkung für den Clubbetreiber erkennen und halte es auch nicht für richtig, bei der Diskriminierung aufgrund des Naheverhältnisses den Schadenersatz niedriger anzusetzen.
Rassistischer Vorfall gemeldet
Die Freund_innen-Gruppe hatte den rassistischen Vorfall, der sich bereits 2013 ereignet hat, bei ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit gemeldet. Dina Malandi, die Leiterin der ZARA-Beratungsstelle, dazu: „Rassistische Einlassverweigerungen werden uns leider noch viel zu oft gemeldet. Solche Urteile sind ein richtungsweisendes Signal und tragen hoffentlich zu einer diskriminierungsfreien Türpolitik bei.“ Das Verfahren, das daraufhin mit Unterstützung des Klagsverbands eingeleitet wurde, hat sich insgesamt über drei Jahre hingezogen.
Einlassverweigerung gehört für viele zum Alltag
Rassistische Diskriminierung an der Eingangstür ist laut österreichischem Gleichbehandlungsgesetz verboten und doch weit verbreitete Praxis. Viele – vor allem männliche – Lokalbesucher absolvieren einen Spießrutenlauf, wenn sie aufgrund ihrer äußeren Erscheinung oder eines sonstigen Merkmals, das ihnen ausländische Herkunft attestiert, bei jeder Lokaltür abgewiesen werden.
Der Klagsverband hat in den vergangenen Jahren regelmäßig Personen vor Gericht vertreten, die Probleme beim Einlass hatten. Es geht dabei nicht nur darum, den betroffenen Personen zu ihrem Recht zu verhelfen, sondern auch Judikatur zu schaffen und bei Lokalbetreiber_innen das Bewusstsein zu stärken, dass diese Form der Diskriminierung verboten ist. (da)
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