Die Notariatsangestellte trug das islamische Kopftuch und das islamische Übergewand bereits seit einiger Zeit bei ihrer Arbeit. Im Zuge der ersten Gespräche über die Rückkehr aus einem längeren Krankenstand teilte sie ihrem ehemaligen Arbeitgeber mit, dass sie in Zukunft während ihrer Arbeit im Notariat den Gesichtsschleier tragen möchte. Der Notar sah darin eine Unvereinbarkeit mit der Tätigkeit in der Kanzlei und lehnte dies ab. Da die Klägerin auf dem Tragen des Gesichtsschleiers bestand, sprach der Beklagte die Kündigung aus.
Diskriminierung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Klägerin sah in der Kündigung wegen der Nichteinhaltung des individuellen Verbots des Tragens eines islamischen Gesichtsschleiers einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass der in § 17 Abs 1 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) normierte Diskriminierungsschutz auch das Tragen religiöser Kleidungsstücke im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis umfasst und eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion geprüft.
Bei Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in § 17 GlBG genannten Diskriminierungsgründe steht, liegt keine Diskriminierung vor, wenn das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Diese Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 1 GlBG hatte der OGH zu prüfen und kam zu dem Schluss, dass das Verbot des Tragens des Gesichtsschleiers berechtigt und die Beendigung nicht diskriminierend ist. Das Tragen des islamischen Gesichtsschleiers hindert die Klägerin nach Ansicht des Gerichts an der Erbringung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung als Notariatsangestellte, weil er die notwendige Kommunikation und Interaktion mit Parteien, Klient_innen, Mitarbeiter_innen und dem Beklagten selbst beeinträchtigt und erschwert.
Sonstige Arbeitsbedingungen
Zu einem anderen Ergebnis kam der OGH bei der geltend gemachten Diskriminierung aufgrund der Religion bei den sonstigen Arbeitsbedingungen. Nach der Rückkehr aus der Karenz wurde die Klägerin nur mehr eingeschränkt für den Kontakt mit Klient_innen und als Testamentszeugin eingesetzt. Sie hat dies als Benachteiligung und Zurücksetzung empfunden. Mangels Vorliegen einer Ausnahmeregelung – die Klägerin konnte für alle Tätigkeiten ohne Einschränkungen mit Kopftuch und Übergewandt eingesetzt werden – bejahte der OGH hier eine Diskriminierung aufgrund der Religion.
Schadenersatzforderung
Die Klägerin begehrte vom ehemaligen Arbeitgeber die Zahlung eines pauschalierten, immateriellen Schadenersatzes in der Höhe von 7.000,- EUR für die erlittene persönliche Beeinträchtigung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und der diskriminierenden Beendigung ihres Dienstverhältnisses. Eine genauere Aufschlüsselung erfolgte jedoch nicht.
Die Entschädigung nach dem GlBG muss die erlittene Beeinträchtigung der diskriminierten Person tatsächlich und wirksam ausgleichen, sie muss angemessen sein und soll präventiv wirken. Der OGH sprach der Klägerin 1.200,- EUR an immateriellem Schadenersatz zu und begründete die Höhe damit, dass die Klägerin einige Monate von den Einschränkungen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen betroffen war, diese Tätigkeiten aber insgesamt nur einen geringen Anteil der Aufgaben der ehemaligen Angestellten ausmachten.
Anmerkung zum Urteil
Das mit Spannung erwartete erste Urteil des OGH im Zusammenhang mit dem Tragen religiöser Bekleidung im arbeitsrechtlichen Kontext ist aus rechtlicher Sicht geeignet, auch in ähnlich gelagerten Fallkonstellationen Rechtssicherheit zu schaffen, da zahlreiche grundlegende Bereiche des Diskriminierungsschutzes im Zusammenhang mit der Religion Eingang in die Entscheidung gefunden haben.
Die Klarstellung, dass religiöse Bekleidung vom Diskriminierungsschutz aufgrund der Religion in der Arbeitswelt umfasst ist, ist ebenso zu begrüßen, wie die intensive und eingehende Auseinandersetzung mit dem Ausnahmetatbestand des § 20 Abs 1 GlBG.
In Ermangelung eines entsprechenden Vorbingens der Klägerin konnte sich das Gericht zu einer allfälligen Belästigung durch abschätzige Bemerkungen des Beklagten nicht äußern, sah aber darin eine Bestärkung der Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen.
Mag auch die Höhe des zugesprochenen Schadenersatzes im Vergleich zur Forderung der Klägerin auf den ersten Blick gering erscheinen, so zeigt sich doch im Vergleich zu den bisher ergangenen Entscheidungen, dass dem nicht so ist. Wenngleich angemerkt werden muss, dass die zugesprochenen Schadenersatzbeträge für die erlittene Würdeverletzung grundsätzlich in Österreich sehr niedrig sind und wohl kaum eine Präventivwirkung entfalten dürften. (al)