Kinder sollen in der Schule ausschließlich Deutsch sprechen, lautet eine Forderung, die von politische Seite immer wieder lautstark vorgebracht wird. Solche Sprachverbote prägen die mehrheitlich populistischen politischen Diskurse.
Aber auch Gebote werden regelmäßig formuliert. Nämlich das Gebot, Deutschkenntnisse vorzuweisen: So wurde in der Vergangenheit immer wieder versucht, Drittstaatsangehörigen ohne Deutschkenntnissen den Zugang zu öffentlichen Leistungen zu verwehren. In Oberösterreich fordert die Landesregierung schon seit mehreren Jahren, die Vergabe der Landes-Wohnbauförderung an Deutschkenntnisse zu knüpfen. (Auf dem Foto sind Daniela Grabovac, Volker Frey und Sabine Schmölzer-Eibinger vor dem Klagsverbands-Logo zu sehen.)
Rechtswidrige Forderungen
Beide Vorgangsweisen sind rechtswidrig, stand für Volker Frey, den Generalsekretär des Klagsverbands bei einer neuen Ausgabe unserer Diskussionsreihe „Der Klagsverband diskutiert“ außer Zweifel. Über Sprachverbote und die Verpflichtung Deutschkenntnisse vorzuweisen, um bestimmte öffentliche Leistungen zu erhalten, haben wir uns diesmal unterhalten.
Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wo diese Diskurse im Spannungsfeld von populistischer Politik und österreichischem Recht anzusiedeln sind. Frey kann beim Verbot, die Muttersprache zu sprechen sowohl eine Menschenrechtsverletzung ausmachen als auch einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot im österreichischen Recht. Wenn der Zugang zu Wohnraum von Deutschkenntnissen abhängig gemacht werde, sei das eine Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen, so der Jurist. (Auf dem Foto ist Volker Frey zu sehen.)
Mehrsprachigkeit als Potential
Neben Volker Frey konnten wir Sabine Schmölzer-Eibinger von der Universität Graz und die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark Daniela Grabovac für diesen Austausch gewinnen.
Für Schmölzer-Eibinger ist eines klar: „Sprachverbote führen dazu, dass Menschen verstummen.“ Zwang sei kein probates Mittel, um Sprachen zu lernen, es müssten vielmehr Anreize geschaffen werden. Viele Menschen, die nach Österreich kommen, würden einen großen Sprachenschatz mitbringen, so die Sprachforscherin. Um den Integrationsprozess erfolgreich zu gestalten, müsse dieser Schatz gewürdigt werden. „Spracherwerb ist keine Einbahnstraße“, so Schmölzer-Eibinger, denn sonst hätten wir es mit Assimilation zu tun. (Auf dem Foto ist Sabine Schmölzer-Eibinger zu sehen.)
Stigmatisierung mancher Muttersprachen
Für Daniela Grabovac, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark, ist das Thema nicht erst mit den Flüchtlingen nach Österreich gekommen: Manche Muttersprachen würden stigmatisiert und zwar schon seit der Gastarbeiterbewegung, konstatierte sie. In ihrer Arbeit erlebe sie, dass viele Menschen im Alltag Probleme hätten, weil sie nicht Deutsch als Muttersprache haben.
Von einem Beschäftigten mit slowenischer Muttersprache erzählt sie, der sich an ihre Einrichtung gewandt hatte, weil ihm der Firmenchef verboten hat, in der Kantine slowenisch zu sprechen. Es dauere meistens nicht lange, dann würden Rat- und Hilfesuchende mit genau den Problemen zur Antidiskriminierungsstelle kommen, die gerade in Medien und Politik diskutiert würden. (Auf dem Foto ist Daniela Grabovac zu sehen.)
Integration statt Assimilation
Das Publikum war besonders an Schulfragen sehr interessiert. Warum die Schulen als Bildungseinrichtungen populistischen Forderungen wie dem Muttersprachverbot nicht entgegen lenken würden? In der schulischen Praxis herrsche viel Verunsicherung, gab Sabine Schmölzer-Eibinger zu bedenken. „Verbotssignale kommen da mitunter gut an“, präzisierte die Sprachwissenschafterin. Zum Abschluss waren sich alle Expert_innen am Podium einig, dass Integration ein zweiseitiger Prozess sei, den man nicht mit Assimilation verwechseln dürfe.
Der Klagsverband bedankt sich bei der Antidiskriminierungsstelle Steiermark für die Kooperation bei dieser Veranstaltung! (da)
Fotos: Antidiskriminierungsstelle Steiermark
Der Klagsverband diskutiert weiter: am 1. Dezember 2016 in Graz über UN-Individualbeschwerden