Eine interessante Entscheidung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) hat der Oberste Gerichtshof bereits im vergangenen Jahr getroffen:
Ein Arbeitnehmer bewirbt sich bei einer Firma in Niederösterreich als Schweißer. Er ist als begünstigt Behinderter eingestuft und genießt damit einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser wird für Arbeitsverhältnisse, die nach dem 1. Jänner 2011 begründet wurden, nach vier Jahren wirksam. Der Schweißer erwähnt seine Behinderung allerdings weder beim Bewerbungsgespräch noch bei der Untersuchung durch den Betriebsarzt. Durch einen Zufall erfährt der Betrieb nach einem Jahr von der Behinderung des Arbeitnehmers und entlässt ihn daraufhin „aufgrund seiner mehrfach unrichtigen Angaben im Personalfragebogen, durch Verschweigen gegenüber dem Betriebsarzt und auch über direkte Nachfrage“.
Der Arbeitnehmer hat die Kündigung als Diskriminierung aufgrund seiner Behinderung gewertet und geklagt. Nachdem die Klage zwei Instanzen durchlaufen hatte – das Landesgericht St. Pölten hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Wien hingegen hat dem Kläger recht gegeben – wendet sich der Arbeitnehmer an den Obersten Gerichtshof.
Im November 2015 entscheidet der Oberste Gerichtshof, es habe sich bei der Kündigung um eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung gehandelt und weist die Revision zurück.
Zuschreibung eines Merkmals
Für Andrea Ludwig, die Leiterin der Rechtsdurchsetzung beim Klagsverband beinhaltet die Entscheidung mehrere interessante Aspekte: „Bei der Prüfung einer Diskriminierung durch das Gericht kommt es allein auf die Zuschreibung eines Merkmals an“, erklärt die Juristin. Der Kläger in diesem Fall konnte seine Arbeit bis zur Kündigung ohne Einschränkungen ausführen. Die (verschwiegene) Behinderung hatte also keinen Einfluss auf die Arbeitsleistung. Trotzdem wurde die Kündigung an die Behinderung geknüpft. Hier werde das Behindertengleichstellungsrecht wirksam, so Ludwig.
Behinderung als eines von mehreren Motiven
Eine weitere Information, die vielen nicht bekannt ist, kann Ludwig der Entscheidung entnehmen: „Wenn mehrere Motive den Ausschlag für – in diesem Fall – eine Kündigung geben, reicht der Zusammenhang mit dem geschützten Merkmal, damit das Antidiskriminierungsrecht zur Anwendung kommt“, erklärt die Gleichstellungsexpertin. Die niederösterreichische Firma hatte die Kündigung des Arbeitnehmers unter anderem damit begründet, dass er durch das Verschweigen seiner Behinderung ihr Vertrauen missbraucht habe. Das geschützte Merkmal „Behinderung“ tritt hier in einem sogenannten „Motivbündel“ auf, ist aber trotzdem entscheidend.
Behinderung muss bei Bewerbung nicht erwähnt werden
Der Oberste Gerichtshof habe in diesem Fall ganz klar entschieden, „dass Irrtümer Verletzungen des Gleichbehandlungsgebotes nicht rechtfertigen können.“ Bei Ansprüchen nach dem Behinderteneinstellungsgesetz komme es nicht auf das Verschulden an. Abschließend bemerkt die Juristin, dass es nicht verwunderlich sei, wenn Personen ihre Behinderung bei der Bewerbung nicht erwähnen. Solange Unternehmen lieber die Ausgleichstaxe bezahlen würden, anstatt Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, sei das oft die einzige Chance auf einen Arbeitsplatz. (da)
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