Arm sein in Europa heißt nicht nur, nicht alles kaufen zu können, was zum Überleben notwendig ist. Arm sein heißt auch, nicht an allen Bereichen des Lebens vollständig partizipieren zu können. Das machen die Autor_innen des jüngsten Berichts des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) gleich zu Beginn ihrer Publikation deutlich.
Armut bedeutet für die meisten Menschen sozial ausgeschlossen zu sein und gewisse Faktoren begünstigen das Risiko arm zu werden. Aber das Geschlecht oder die Herkunft sollten nicht darüber entscheiden, ob jemand voll an der Gesellschaft partizipieren kann oder nicht, heißt es im Vorwort.
Die Wege in die Armut sind bei Frauen und Männern verschieden, aber auch die Auswege unterscheiden sich nach Geschlecht.
Überwachung des Gleichstellungsprozesses
Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen hat den Auftrag den Gleichstellungsprozess in der EU zu überwachen. Dazu gehören auch die Ziele, die in der Aktionsplattform der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 definiert wurden. Frauen und Armut wird in der Aktionsplattform von Peking als eines der Hauptprobleme genannt.
In Europa gilt derzeit eine von vier Personen als arm. Frauen sind stärker betroffen, das hängt vor allem mit der Arbeitsmarktsituation zusammen. Aber auch wer eine Arbeit hat, kann arm sein, dafür ist die Vielzahl an prekären Jobs verantwortlich.
Armut als intersektionelles Problem
In dem Bericht wird aber nicht nur das Armutsrisiko von Frauen untersucht. Die Autor_innen stellen Armut als ein intersektionelles Phänomen dar, denn Faktoren wie Behinderung oder die ethnische Herkunft verstärken das Armutsrisiko. Ein eigenes Kapitel ist der Gruppe der Roma gewidmet, die zu den Bevölkerungsgruppen gehören, die in Europa am häufigsten von Armut betroffen sind.
Es werden Zahlen aus dem Jahr 2014 verwendet. Damals galten im Europa der 28 Mitgliedsstaaten 122 Millionen Menschen als arm davon waren 53 Prozent Frauen und 47 Prozent Männer.
Der Bericht beschränkt sich aber nicht auf eine reine Bestandsaufnahme. Die wichtigsten Faktoren für Armutsrisiken von Frauen werden benannt und auch Empfehlungen an die Politik formuliert. Die Genderperspektive wird von den Autor_innen als Schlüssel verstanden, um Armut in Europa zu verstehen. Besonders einschneidend ist die Situation am Arbeitsmarkt. Der Gender gap bei der Armut im Alter ist eine Folge der lebenslangen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern am Arbeitsmarkt, Stichwort Teilzeitarbeit.
Empfehlungen an die Politik
Der Politik wird empfohlen, Frauenarmut als intersektionelles und Gleichstellungs-Problem zu betrachten. Um Frauenarmut zu reduzieren müssten politische Praxen entwickelt werden, um die ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen fördern. Aber auch die Sozialsysteme sollten an die Anforderungen angepasst werden, die neue Beschäftigungsmodelle mit sich bringen. (da)