Diesmal war der Klagsverband an der Fachhochschule St. Pölten zu Gast um zu diskutieren, wie UN-Individualbeschwerden für die soziale Arbeit nutzbar gemacht werden können.
Am Podium diskutierten Gerhard Fechter, der mit dem Klagsverband eine Individualbeschwerde nach der UN-Behindertenrechtskonvention eingebracht hat, Frauenrechtsexpertin Angelika Kartusch, Volkshilfe-Chef Erich Fenninger und die Vorsitzende des Niederösterreichischen Monitoringausschusses Christine Rosenbach. Für den Klagsverband war Volker Frey vertreten.
Auf dem Bild zu sehen von links nach rechts: Angelika Kartusch, Volker Frey, Gerhard Fechter, Erich Fenninger, Christine Rosenbach.
Der Klagsverband hat die Diskussion gemeinsam mit der FH St. Pölten, der Volkshilfe und dem Niederösterreichischen Armutsnetzwerk veranstaltet. Wir bedanken uns für die Kooperation!
Auf dem Bild sind Barbara Bühler vom NÖ Armutsnetzwerk und Monika Vyslouzil von der FH St. Pölten zu sehen.
Individualbeschwerden nach der UN-BRK: Der Fall Fechter
Gerhard Fechter hat mit Unterstützung des Klagsverbands als erster Österreicher eine Beschwerde nach der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) eingebracht. Er berichtet über den Hintergrund des Falles, bei dem es um Barrierefreiheit bei der Linzer Straßenbahn geht.
Der blinde Linzer hat nach eingehender Beratung und einem obligatorischen Schlichtungsverfahren den Straßenbahnbetreiber mit Unterstützung des Klagsverbands geklagt. Die Gerichte in Österreich konnten allerdings keine Diskriminierung erkennen. Damit war der Weg frei für die erste Beschwerde nach der UN-Behindertenrechtskonvention aus Österreich.
Gerhard Fechter hatte mit seiner Beschwerde Erfolg. Das Ringen um Behindertengleichstellung ist ein „Bohren harter Bretter“, so formulierte es Gerhard Fechter bei der Diskussion in St. Pölten. Ihm sei es ums Prinzip gegangen und er würde in einem ähnlichen Fall auch wieder bis zur UNO gehen.
UN-Empfehlungen politisch nutzbar machen
Das Verfahren dauerte mehrere Jahre und wer schnelle Ergebnisse wolle, sei mit einem UN-Beschwerdeverfahren schlecht beraten, erklärte der Generalsekretär des Klagsverbands, Volker Frey. Er hat auch auf die wichtigste Voraussetzung hingewiesen, die an eine Individualbeschwerde geknüpft ist: Zuerst muss der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft werden. Die Beschwerde an den UN-Ausschuss ist dann eine Anzeige wegen einer Menschenrechtsverletzung durch den Staat und keine Klage gegen eine Einzelperson oder ein privates Unternehmen. Wenn der Ausschuss eine Konventionsverletzung feststellt, antwortet er mit rechtlich unverbindlichen Empfehlungen an den Vertragsstaat.
Auf diese Empfehlungen hat es im Fall von Gerhard Fechter recht wenig öffentliche Resonanz gegeben. Frey vermutet, das liege auch an den komplizierten verkehrstechnischen Normen bei diesem Sachverhalt. Nichtsdestotrotz sollten die Empfehlungen weiterhin bekannt gemacht werden, da ihnen als Dokument einer UNO-Institution ein nicht zu unterschätzendes politisches Gewicht zukommt. Der Straßenbahnbetreiber und die zuständigen Behörden stehen seit der Mitteilung des UN-Ausschusses unter verstärktem Rechtfertigungsdruck.
CEDAW-Beschwerden und rechtspolitische Konsequenzen
Frauenrechtsexpertin Angelika Kartusch erzählte anschließend von zwei tragischen Fällen aus Österreich, bei denen eine Verletzung der Frauenrechtskonvention CEDAW stattgefunden hat.
In beiden Fällen waren Frauen jahrelang schwerer Gewalt und Morddrohungen ausgesetzt. Beide Frauen erstatteten mehrmals Anzeige, die Behörden sahen allerdings von einer Strafverfolgung ab. Nachdem die Frauen von ihren Ehemännern ermordet wurden, reichten NGOs (die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie und der Verein Frauen-Rechtsschutz) im Namen der hinterbliebenen Kinder Beschwerde beim CEDAW-Ausschuss ein.
Der CEDAW-Ausschuss kam zu dem Schluss, dass der österreichische Staat nicht alles Notwendige unternommen habe, um die Frauen effektiv vor Gewalt zu schützen. Daraufhin initiierte die Regierung eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung des Gewaltschutzes in Österreich. Unter anderem wurde das Gewaltschutzgesetz novelliert und das Delikt der gefährlichen Drohung im Familienkreis von einem Antrags- zu einem Offizialdelikt umgewandelt, womit eine strafrechtliche Verfolgung nicht mehr von der Ermächtigung des Opfers abhängt (Informationen um Weiterlesen).
Trotz weiterer begleitender Maßnahmen gebe es aber immer noch Defizite. Die große Gefährdung in Trennungs- und Scheidungssituation werde z.B. immer noch zu wenig berücksichtigt.
Soziale Rechte als Hebel für soziale Arbeit
Der Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Erich Fenninger hat in seinem Beitrag auf die Bedeutung von sozialen Menschenrechten für die soziale Arbeit hingewiesen.
Die Volkshilfe überlegt, strategische Klagen anzustrengen. In Frage kommen dabei Fälle, die sich in der sozialen Arbeit als nicht mehr lösbar herausgestellt haben. Allerdings hat Österreich das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt nicht ratifiziert und damit gibt es kein Individualbeschwerdeverfahren in diesem Bereich.
Der Mehrwert des Monitorings
Abschließend stellte Christine Rosenbach den Niederösterreichischen Monitoringausschuss vor. Der Ausschuss fördert und überwacht die Einhaltung der von der UN-BRK garantierten Menschenrechte von Menschen mit Behinderung im Rahmen der Zuständigkeit und der Vollziehung des Landes Niederösterreich. Zuletzt konnte auch auf Zutun des NÖ Monitoringausschusses erreicht werden, dass ein gleiches Schutzniveau für alle Diskriminierungsgründe Landesrecht wurde. Daneben besteht in Niederösterreich auch eine Antidiskriminierungsstelle, die sich der Behandlung und Schlichtung von Einzelfällen widmet.
Auf dem Bild sind die Mitglieder des NÖ Monitoringausschusses zu sehen.
Text: Christian Berger
Fotos: FH St. Pölten, NÖ Monitoringausschuss