Kirchen und ihre Instutitionen zählen sowohl in Deutschland als auch Österreich zu den größten Arbeitgeber_innen. Die aktuelle Entscheidung des Europäichen Gerichtshofes (EuGH) in der Rechtssache C-414/16 wird deshalb in beiden Ländern nicht wenige Arbeitsverhältnisse betreffen.
Sachverhalt
Vera Egenberger bewarb sich auf eine vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung (Deutschland) ausgeschriebene Stelle. Es handelte sich um eine befristete Referent_innenstelle für ein Projekt, das die Erstellung des Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (CERD) zum Gegenstand hatte. Das Aufgabengebiet umfasste laut Stellenausschreibung sowohl die Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit als auch die Koordinierung des internen Meinungsbildungsprozesses.
Die Bewerber_innen mussten Mitglied einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehörenden Kirche sein. Frau Egenberger, die keiner Konfession angehört, wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl ihre Bewerbung nach einer ersten Bewerbungssichtung noch im Auswahlverfahren verblieben war. Eingestellt wurde ein Bewerber, der hinsichtlich der Konfessionszugehörigkeit angegeben hatte, er sei ein „in der Berliner Landeskirche sozialisierter evangelischer Christ“.
Ausgangsrechtsstreit
Die Bewerberin fühlte sich aufgrund der Religion diskriminiert und brachte deshalb eine Klage gegen das Evangelische Werk beim Arbeitsgericht Berlin auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 9788,65 Euro ein. Sie machte geltend, die Berücksichtigung der Religion sei im konkreten Fall bei unionsrechtskonformer Auslegung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht mit diesem vereinbar.
Vorabentscheidungsverfahren
Das Bundesarbeitsgericht (BAG), bei dem der Rechtsstreit momentan anhängig ist, stellte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Letztinstanzliche Gericht müssen bei Zweifeln über die Auslegung von EU-Recht den EuGH anfragen, um so eine einheitliche Anwendung des EU-Rechts in der gesamten Europäischen Union sicherzustellen. Beim vorliegenden Sachverhalt ging es um die Auslegung der auch als Antidiskriminierungsrichtlinie bezeichneten Richtlinie zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG).
Mitgliedsstaaten obliegt es danach, für einen angemessenen Schutz vor Diskriminierung sorgen. Personen dürfen unter anderem nicht wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Die EU-Mitgliedsländer müssen den Inhalt solcher EU-Richtlinien in ihrem nationalen Recht umsetzen. In Deutschland ist das im AGG und in Österreich für private Arbeitsverhältnisse im Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) erfolgt.
Die RL 2000/78/EG lässt jedoch Ausnahmeregelungen zu, um nationale Besonderheiten zu berücksichtigen. In Deutschland gibt es diesbezüglich das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Diese dürfen danach Beschäftigte, wozu auch Bewerber_innen zählen, hinsichtlich der Religion unterschiedlich behandeln. Das GlBG normiert in Österreich für sogenannte Tendenzbetriebe, dass eine Diskriminierung aufgrund der Religion dann nicht vorliegt, wenn die Religion dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt.
Entscheidung des EuGH
Das Urteil des EuGH ist wenig überraschend aber beinhaltet wichtige Klarstellungen Nach Ansicht des EuGH unterliegt die Ausnahme jedenfalls der staatlichen Kontrolle. Unabhängige staatliche Gerichte müssen die Frage einer Ungleichbehandlung wegen der Religion überprüfen können. Entscheidend ist dabei, wie nah Art und konkrete Umstände der Tätigkeit mit dem Ethos verknüpft sind.
Die weiteren Kriterien der Ausnahmeregelung sind laut EuGH wie folgt zu verstehen:
- Eine wesentliche Anforderung liegt vor, wenn die Zugehörigkeit zu der Religion für die berufliche Tätigkeit notwendig ist.
- Rechtmäßig bedeutet, dass die Kirchen und Organisationen mit der Ausnahme keine anderen Zwecke als ihr Selbstbestimmungsrecht verfolgen dürfen.
- Gerechtfertigt ist eine Anforderung, wenn im Einzelfall darlegt werden kann, dass die Einschränkung tatsächlich notwendig ist.
- Darüber hinaus muss die Anforderung verhältnismäßig sein. Gerichte müssen überprüfen, ob sie zum Schutz des Ethos geeignet, erforderlich und angemessen ist.
Das deutsche BAG wird nun auf Grundlage der Antworten des EuGH den innerstaatlichen Rechtsstreit entscheiden. In Anbetracht der vom EuGH aufgestellten Anforderungen an die Ausnahmeregelung kann vermutet werden, dass die Religionszugehörigkeit für die vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung ausgeschrieben Stelle eine eher untergeordnete Rolle spielt. (al)