Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern, das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) und ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit begrüßen grundsätzlich den heute von der Bundesministerin für Inneres gemachten ersten Schritt in Richtung Erstellung eines Nationalen Aktionsplans für Integration und fordern gleichzeitig ein, dass die Bekämpfung von Diskriminierung und eine bessere Einbindung der Zivilgesellschaft insbe-sondere von MigrantInnenvereinen bei der Erstellung des Nationalen Aktionsplans berücksichtigt werden sollten.
Maßnahmen überwiegend problem- und defizitzentriert
Das den vorgestellten Maßnahmen zugrunde liegende Integrationsverständnis ist eindeutig problem- und defizitorientiert. Vor- und Eigenleistungen, um die mitgebrachten Defizite zu verringern, ebenso wie das Wahrnehmen von Eigenverantwor-tung im Integrationsprozess werden ausschließlich von MigrantInnen verlangt. Integration wird aber nur dann funktionieren, wenn der Staat geeignete Rahmenbedingungen schafft und alle in Österreich lebenden Menschen – selbstverständlich unter Berücksichtigung der österreichischen Rechtsordnung – ihren Beitrag leisten. Alle Menschen bringen vollkommen unabhängig von ihrer Herkunft Potentiale mit, die sie nur über ihre aktive Teilhabe am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben in Österreich einbringen können und von denen die Gesellschaft insgesamt profitieren kann. Integration ist ein Prozess, der die Gesellschaft insgesamt verändert und dazu beitragen soll die Kompetenzen aller hier lebender Menschen im Umgang mit gesellschaftlicher Heterogenität und Vielfalt weiterzuentwickeln. Interkulturelle Kompetenz entwickelt sich nicht automatisch durch die Aufnahme von MigrantInnen in Behörden, Unternehmen oder andere Organisationen, sie muss aktiv gefördert werden. Daher bedarf es Maßnahmen, die alle BewohnerInnen dieses Landes mit diesen Prozessen vertraut machen und Bewusstsein für Vielfalt fördern.
Eine wesentliche Voraussetzung für Integration ist die Förderung von Chancengleichheit und die effiziente Bekämpfung von Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit und der Religion. Diese beiden Aspekte von Integration spielen in dem von der Innenministerin präsentierten Papier gar keine Rolle. Dies ist umso verwunderlicher, da der Nationale Aktionsplan für Integration den seit der UN Weltkonferenz gegen Rassismus 2001 fälligen Nationalen Aktionsplan gegen Ras-sismus ersetzen soll. Die von der Ministerin vorgeschlagenen Maßnahmen zur För-derung der Integration von MigrantInnen sind eine Auflistung bereits bekannter und teilweise realisierter Aktivitäten, die bisher keinen gesamtgesellschaftlich spürbaren Beitrag zur Verbesserung des sozialen Klimas und zum Mehr an Chancengleichheit für alle geleistet haben. Gerade dafür wären aber innovative Ideen und Maßnahmen erforderlich.
Das Recht auf Nicht-Diskriminierung
Das Recht auf Nicht-Diskriminierung ist ein grundlegendes Menschenrecht, Informationen über die gültige Rechtslage in Bezug auf den Schutz vor Diskriminierung müssten ein wesentlicher Bestandteil der Maßnahmen dieses Nationalen Aktions-plans sein. Diese Information muss sich sowohl an potenziell von Diskriminierung Betroffene als auch an potentiell Diskriminierende richten, um Bewusstsein für das Recht auf Gleichstellung zu fördern und alle – sowohl die Mehrheitsgesellschaft als auch Minderheiten – für dieses gesamtgesellschaftliche Phänomen zu sensibilisieren.
Das Kapitel „Handlungsfeld Rechtsstaat und Werte“ spricht von Opferschutz, leider vergisst es vollständig auf den Opferschutz – etwa im Zusammenhang mit Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und Religion. Behörden, Polizei und Justiz müssten im Bereich Anti-Diskriminierung geschult werden. Sensibilisierung der MitarbeiterInnen dieser Einrichtungen ist notwendig, damit sie Diskriminierungen (rascher) erkennen und die geeigneten Maßnahmen setzen bzw. Rechtsmitteln anwenden können, um Diskriminierungsopfer bestmöglich zu schützen und ihnen zur ihrem Recht zu verhelfen.
Das Innenministerium lädt zur Mitarbeit am Nationalen Aktionsplan ein. Diese Einladung klingt sehr unverbindlich. Ein Verdacht, der sich bei genauerer Analyse der anvisierten Struktur zur Entwicklung des Aktionsplanes, bestätigt. Die Kerngruppe, die den Prozess der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans begleiten wird, besteht ausschließlich aus VertreterInnen der Bundesministerien, der Länder, Städte, Ge-meinden und Sozialpartner. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollen lediglich zur Formulierung konkreter Maßnahmen eingeladen werden. Wir würden es begrüßen, wenn die Zivilgesellschaft auch in der Steuerungsgruppe vertreten wäre, da ihre VertreterInnen viel Erfahrung in der direkten Umsetzung von Integrationsmaßnahmen haben. Der Nationale Aktionsplan für Integration sollte nicht ohne Einbindung der VertreterInnen von MigrantInnenorganisationen erfolgen. Schon die vom damaligen Innenminister Günther Platter getroffene Auswahl der zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Integrationsplattform ließ großteils Repräsentativität, Teilhabe der MigrantInnenorganisationen und Transparenz vermissen. Die Zivilgesellschaft fühlt sich nicht ausreichend durch große Organisationen wie Caritas oder Volkshilfe bzw. durch unterschiedliche Glaubensgemeinschaften vertreten. Die Bandbreite für innovative Ideen, Erkenntnisse aus Erfahrungen und Analysen im Bereich Integration ist wesentlich größer. Dieser Pool an Expertise sollte von den politischen EntscheidungsträgerInnen genutzt und auch in entsprechender Form abgegolten werden.
Staatssekretariat für Integration
Abschließend wollen wir noch darauf hinweisen, dass die Ansiedlung der Koordination des Nationalen Aktionsplans für Integration im Bundesministerium für Inneres überdacht werden sollte. Das Innenministerium wird als für die innere Sicherheit zuständiges Ressort wahrgenommen. Integration ist eine Querschnittsmaterie, die eng mit Rechten, Chancen und Vielfalt in den Bereichen Bildung, Arbeit, Gesundheit, Wohnen, Soziales etc. verbunden ist. Das Thema Sicherheit ist insofern ebenfalls ein wichtiger Bestandteil von Integration, als sich alle in Österreich lebenden Menschen in diesem Land sicher fühlen sollen. Der derzeitige öffentliche Diskurs beschränkt sich aber eher darauf, AsylwerberInnen, MuslimInnen und andere Zugewanderte als Sicherheitsrisiko für die einheimische Bevölkerung darzustellen. Eine Ansiedlung des Themas Integration im Innenministerium würde diesen Diskurs nur bestärken. Wie ZARA, der Klagsverband und das BIM bereits in einem Forderungskatalog im No-vember 2008 festgehalten haben, sollte der Aufgabenbereich Integration einem eigenen Staatssekretariat zugeordnet werden, das im Bundeskanzleramt angesiedelt und für Fragen der Integration und Chancengleichheit zuständig ist.