Bei der Klausur 2021 konnten Mitglieder, Interessierte und Verbündete die Arbeit des Klagsverbands kennenlernen.
Begonnen hat der öffentliche Teil der Klausur mit einer Zeitreise durch die verschiedenen Wiener Gemeindebezirke, in denen der Klagsverband seit seiner Gründung 2004 sein Büro hatte.
In einem Keller- oder, etwas charmanter ausgedrückt, Souterrain-Lokal im sechsten Wiener Gemeindebezirk hat alles angefangen. Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben und langjähriges Klagsverbands-Vorstandsmitglied, war damals „live“ dabei und beschreibt das erste Klagsverbands-Büro augenzwinkernd mit „Das Büro war ziemlich weit weg von barrierefrei. Aber es war unser Startpunkt.“
Jedenfalls wurde hier fleißig gearbeitet, wie man an den vollgeräumten Schreibtischen erkennen kann. Und nach einer ehrenamtlichen Anfangszeit gab es bald Förderungen, Mitarbeiter*innen und vor allem viele Fälle von Diskriminierung, die rechtlich eingeschätzt werden mussten.
Schon in der Luftbadgasse war der Klagsverband in einer Bürogemeinschaft mit ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, doch beide Vereine wurden größer und das Büro bald zu eng. 2011 kam es deshalb zum Umzug.
In den Turm
Gemeinsam mit ZARA hat der Klagsverband einen geräumigeren und komfortableren Bürostandort mit der klingenden Adresse „Am Hundsturm“ im fünften Bezirk in Wien bezogen und dort bis 2018 die Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsarbeit auf solide Beine gestellt. Das Mitglieder-Netzwerk ist kontinuierlich gewachsen und zahlreiche richtungsweisende Verfahren wurden eingebracht.
Leider endete die Zeit am Hundsturm für den Klagsverband mit einer großen finanziellen Krise, ausgelöst durch den Wegfall einer bis dahin stabilen öffentlichen Förderung. Die dramatische Situation des Klagsverbands war dem ORF Wien damals einen Beitrag wert, aus dem auch das Foto stammt. Das Budgetloch konnte zwar damals dank großzügiger Spenden und Unterstützungen gestopft werden, die fehlende Förderung belastet die Finanzierung des Klagsverbands jedoch bis heute.
Und zum ehemaligen Nordbahnhof
2018 hat sich der Klagsverband dann erneut verändert und ist in das Wiener Stadterweiterungsgebiet Nordbahnviertel in ein modernes und komfortables Bürogebäude gezogen. Neu ist auch die Bürogemeinschaft: Der Klagsverband arbeitet jetzt Tür an Tür mit dem Unabhängigen Monitoringausschuss zur Überwachung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Hier, im zweiten Wiener Gemeindebezirk, werden unsere Klagen vorbereitet, Stellungnahmen geschrieben, Veranstaltungen konzipiert, Judikatur gesammelt und nicht zuletzt unser Mitglieder-Netzwerk betreut, das mittlerweile auf 60 Organisationen angewachsen ist.
Der Zauber vom Anfang ist zwar erhalten geblieben, so ruhig und leer wie in den ersten Tagen ist es im Büro aber schon lange nicht mehr.
Meilensteine: Das Recht auf Barrierefreiheit
Nach dieser Zeitreise wurden bei der Klausur zwei thematische Meilensteine präsentiert. Den Beginn machte das Verfahren von Gerhard F. gegen die Linz Linien, das sehr anschaulich zeigt, welche Möglichkeiten der Klagsverband ausschöpfen kann. Schließlich haben wir im Zusammenhang mit diesem Verfahren die erste Individualbeschwerde nach der UN-Behindertenrechtskonvention aus Österreich gemacht.
Das Verfahren zeigte aber auch ganz klar, wo die Hürden und Schwierigkeiten liegen, wenn es um das Recht auf Barrierefreiheit geht. Was bringt ein gewonnenes Verfahren zum Beispiel für die Person, die geklagt hat, wenn damit kein Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung verbunden ist? Und wer ist bereit, über viele Jahre für sein Recht zu kämpfen? Das Verfahren von Gerhard F. gegen die Linz Linien hat 2012 mit einer Schlichtung begonnen. 2015 hat der UN-Fachausschuss die Individualbeschwerde positiv beantwortet, aber erst weitere drei Jahre später ist die Novelle der Straßenbahn-Verordnung in Österreich endlich in Kraft getreten, wie man auf der Zeittafel sehen kann.
Meilensteine: Gleichstellung von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen
Ein weitererer Meilenstein ist die rechtliche Gleichstellung von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen bei Landesleistungen. Dieses Thema begleitet den Klagsverband schon mehrere Jahre. In zwei Fällen haben wir erfolgreich gegen diskriminierende Regelungen geklagt, nämlich in Niederösterreich bei der Pendlerhilfe des Landes (zum Verfahren) und in Tirol bei der Schulstarthilfe. Dieses Verfahren hat Isolde Kafka von der Tiroler Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung präsentiert.
Auch in Oberösterreich versucht der Klagsverband seit mehreren Jahren gemeinsam mit migrare gegen die Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen bei der Wohnbehilfe vorzugehen, weil Antragsteller*innen, die keine österreichische, EU oder EWR-Staatsbürgerschaft haben, zusätzliche Voraussetzungen, wie seit 2018 ein Deutschzertifikat, nachweisen müssen.
Nach einem vielversprechenden Anfang sind die Klagsverbandsverfahren in dieser Sache jedoch erst diesen Sommer negativ entschieden worden.
(Das Beitragsbild wurde mit Google Maps erstellt.)