Wie der ORF berichtet, wurde ein türkischstämmiger Präsenzdienstleistender im Rahmen seines Wehrdienstes über längere Zeit immer wieder aufgrund seiner Herkunft grob beschimpft, sodass er schließlich sogar im Heeresspital behandelt werden musste. Dort wurden eine „schwere Belastungsstörung“ und eine „Anpassungsstörung mit selbstdestruktiven Tendenzen“ festgestellt. Die Empfehlung des Arztes: Versetzung in eine andere Kompanie innerhalb von 14 Tagen oder gesundheitsbedingte Entlassung. Ehe darüber entschieden wurde, entfernte sich der Mann – zum wiederholten Male – von der Truppe und kehrte nach 74 Tagen zurück.
Er wurde – wohl wegen unerlaubter Abwesenheit (§ 8 Militärstrafgesetz) – zu einer bedingten Haftstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Zwei Fragen drängen sich auf: Wurden die – scheinbar außer Streit stehenden – rassistischen Beschimpfungen als Milderungsgrund im Strafverfahren berücksichtigt? Und hätte der Mann die Möglichkeit, sich nach dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zur Wehr zu setzen?
Das Strafverfahren
§ 8 Militärstrafgesetz (unerlaubte Abwesenheit) sieht bei mehr als achttägiger Entziehung vom Dienst als Sanktion eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor. Mindeststrafe gibt es keine. Zuerst wäre es auf Grundlage des medial kolportierten Sachverhalts durchaus denkbar, dass überhaupt ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund vorliegt, die eine Bestrafung überhaupt verhindern würden.
Auch in Verfahren nach dem Militärstrafgesetz sind die Grundsätze der Strafbemessung nach dem Strafgesetzbuch (StGB) zu beachten. Als Milderungsgründe bei der Strafbemessung sieht § 34 StGB insbesondere vor: eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung; Umstände, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen. Ob diese Milderungsgründe geprüft wurden, lässt sich aus den Medienberichten nicht entnehmen.
Liegt eine Diskriminierung vor?
Im Rahmen eines Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses ist die Beschimpfung als „Scheißtürke“ oder ähnliches völlig unzweifelhaft eine Belästigung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und damit eine Diskriminierung im Sinne des § 8a des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (B-GlBG). Sowohl die Belästigung durch einen Vorgesetzten als auch die Weigerung eines Vorgesetzten, die Belästigung abzustellen, sind als getrennt zu ahndende Diskriminierungen anzusehen, die einen materiellen (Heilungskosten) und immateriellen Schadenersatzanspruch begründen. Aber ist der Präsenzdienst ein Dienst- oder Ausbildungsverhältnis?
Nach derzeitigem Recht stellt der Präsenzdienst kein Dienst- oder Ausbildungsverhältnis zum Bund, sondern eine auf der allgemeinen Wehrpflicht beruhende, öffentlichrechtliche Dienstleistung sui generis dar. Das B-GlBG ist daher nicht anwendbar. Der betroffene Ex-Präsenzdiener hat daher nur die Möglichkeit, disziplinarrechtlich gegen seinen ehemaligen Vorgesetzten vorzugehen.
Gerade für Präsenzdienstleistende sollte aber ein solches Schutzinstrument vor Diskriminierung bestehen, da bei Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten die gleiche Würde aller Menschen unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, sexueller Orientierung, Behinderung und Alter besonders besonders nötig ist. Das ist der Staat sowohl den Betroffenen, als auch seiner öffentlichen Vorbildwirkung und dem Bekenntnis zur Verantwortung gegenüber ALLEN StaatsbürgerInnen schuldig!