Gegen sexuelle Belästigungen, die #FrauenbeimArzt erleben, kann auch mit dem Gleichbehandlungsrecht vorgegangen werden.

Vor einigen Jahren hat der Hashtag #MeToo eine weltweite Welle von Berichten in Sozialen Medien ausgelöst, in denen Betroffene von sexualisierten Übergriffen und sexueller Belästigung erzählt haben. Jetzt gibt es einen neuen Hashtag mit Berichten von Frauen*, die über sexuelle Belästigung und diskriminierende Erfahrungen bei Besuchen in medizinischen Ordinationen und Spitälern berichten: Unter #FrauenbeimArzt erzählen sie vor allem auf Twitter, was ihnen bei Arztbesuchen passiert ist. Aufgerufen dazu hat eine Userin, die als @Joanalistin twittert.
Freispruch für Orthopäden
Auslöser für den Hashtag #FrauenbeimArzt war ein Gerichtsverfahren, bei dem ein Arzt wegen Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses und Amtsmissbrauch angeklagt war. Die Klägerin war wegen Schulterschmerzen bei dem Orthopäden, dieser führte jedoch seine Finger in ihre Vagina ein und verletzte sie. Vor Gericht verteidigte er sich damit, es handle sich dabei um eine Behandlungsmethode aus der Osteopathie.
Der Arzt wurde freigesprochen, die Öffentlichkeit war schockiert über den Vorfall und der Hashtag #FrauenbeimArzt war geboren.
Die Erlebnisse, die unter #FrauenbeimArzt gepostet werden, schildern nur selten klar strafrechtliche Übergriffe, zeigen aber wie weit verbreitet die Erfahrungen mit Belästigung, Diskriminierung, Sexismus und sexualisierter Gewalt in medizinischen Ordinationen sind. Vermutlich sind die Opfer, die sich auf Twitter aus der Deckung wagen, nur die Spitze des Eisberges.
Diskriminierung und sexuelle Belästigung
Die geschilderten Erlebnisse sind vielfältig. Einige User*innen erzählen, dass sie mit ihren Beschwerden und Schmerzen nicht ernst genommen wurden und als hysterisch oder wehleidig eingestuft wurden: „Nehmen Sie ein Schmerzmittel und seien Sie nicht so wehleidig“ oder „Sie haben doch schon eine Geburt erlebt“, lauteten die Kommentare der behandelnden Ärzt*innen.
Häufig wird von unangenehmen und unangemessenen Untersuchungssituationen berichtet: Sie habe mehr Kleidung ausziehen müssen, als für die Untersuchung notwendig, schreibt eine User*in, „Ich saß vollkommen nackt auf dem Behandlungstisch und wartete auf den Arzt“, eine andere. In einem Tweet wird erzähl: „Der Amtsarzt beim Sehtest für den Führerschein wollte, dass ich die Buchstaben mit nacktem Oberkörper vorlese.“
Auch sexistische Bemerkungen haben viele User*innen schon gehört: „Der Arzt fand meine Vene nicht gleich und meinte: Frauen mögen es ja gerne, wenn man mehrmals sticht.“
Von körperlichen Übergriffen und sexualisierter Gewalt wird weniger berichtet. Kaum eine Betroffene hat es bislang gewagt, in den Sozialen Netzwerken darüber zu erzählen.
Anwendungsmöglichkeiten für das Gleichbehandlungsrecht
Das Strafrecht bietet betroffenen Frauen* in vielen dieser Fälle nicht den geeigneten Schutz, weil strafrechtliche Tatbestände (gerade) nicht erfüllt sind, es an der Nachweisbarkeit der Tat scheitert oder Betroffene keine geeignete Begleitung als Opfer eines Strafverfahrens haben – um nur einige Gründe zu nennen.
Wichtig ist daher zu wissen, dass das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) auch auf den Zugang zu und die Versorgung mit Dienstleistungen anwendbar ist.
Bei Gesundheitsdienstleistungen sind somit Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, geschlechtsbezogene Belästigungen und sexuelle Belästigungen verboten. Betroffene können sich unter anderem bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft beraten lassen, ein Überprüfungsverfahren kann niederschwellig und kostenlos bei der Gleichbehandlungskommission eingeleitet werden.
Für Schadenersatzansprüche – für die persönliche Beeinträchtigung aufgrund der Belästigung oder Diskriminierung aber zB. auch für die Behandlungskosten – müssen Betroffene letztlich aber ein Zivilverfahren bei Gericht führen, was neben den Belastungen eines Gerichtsverfahrens auch ein nicht unbeträchtliches Kostenrisiko mit sich bringt. Hierfür braucht es noch ein wesentlich besseres Unterstützungsnetz, damit Betroffene tatsächlich zu ihrem Recht kommen.
Für alle, die Beratung nach dem Gleichbehandlungsgesetz anbieten, ist jedoch wichtig zu wissen, dass Betroffene von sexueller Belästigung bei Gesundheitsdienstleistungen auch auf den Schutz des GlBG zurückgreifen können.