Der EuGH hat heute ein wichtiges Urteil zum Diskriminierungsschutz aufgrund der Homosexualität veröffentlicht. In diesem Beitrag erklärt Theresa Hammer, fachliche Geschäftsführerin und Leitung der Rechtsdurchsetzung, das Urteil und seine Bedeutung.
Mit seinem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof eine wichtige Klarstellung zum Diskriminierungsschutz von Selbständigen getroffen: Hängt die Weigerung, mit einem Selbständigen einen Vertrag abzuschließen oder diesen zu verlängern mit der sexuellen Orientierung zusammen, verstößt dies grundsätzlich gegen das umfassende Diskriminierungsverbot der Richtlinie 2000/78/EG über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.
Was ist passiert?
Im polnischen Ausgangsfall geht es um einen selbständigen Videoredakteur, der für einen nationalen öffentlichen Fernsehsender in Polen über Jahre immer wieder audiovisuelle Montagen und Ähnliches im Rahmen von kurzen Dienstverträgen erstellt hatte. 2017 veröffentlichte er zusammen mit seinem Lebensgefährten auf YouTube ein Weihnachtmusikvideo, das für Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren wirbt. Daraufhin erhielt er vom Fernsehsender keine Aufträge mehr.
Im österreichischen Gleichbehandlungsrecht sind die Bestimmungen der EU-Richtlinie bisher insofern umgesetzt, als „die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie die Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit“ vom Diskriminierungsverbot mitumfasst sein soll (siehe § 4 Z 3 und § 18 Z 3 GlBG). Da es bisher erst wenig Praxisfälle und vor allem Rechtsprechung dazu gab, war nicht klar, wie umfassend diese Bestimmung Selbständige auch in ihrer Berufsausübung vor Diskriminierung schützt. Auch in der Literatur war umstritten, ob es nicht in erster Linie um (gesetzliche) Zugangsbeschränkungen gehe. In einem jüngeren österreichischen Urteil wurde das Diskriminierungsverbot immerhin auch auf einen Gesellschaftsvertrag, der in seiner Nachfolgeklausel weibliche Gesellschafterinnen ausschließen wollten, angewandt (OGH 24.01.2019, 6Ob55/18h).
Weiter Diskriminierungsschutz
Mit der heutigen Entscheidung des EuGH wird ein sehr weites Verständnis bestätigt: auch die diskriminierende Weigerung, mit einem Selbständigen einen Vertrag abzuschließen oder zu verlängern, verstößt gegen das Antidiskriminierungsrecht – zumindest wenn dem eine gewisse stabile Rechtsbeziehung vorausgeht und dieser Vertrag für die wirksame Berufsausübung essentiell ist. Unter diesen Umständen ist die diskriminierende Nicht-Verlängerung eines Vertrags eines Selbständigen durchaus mit einer „Entlassung“ von Arbeitnehmer*innen gleichzusetzen. Das Recht auf „freie Wahl der Geschäftspartner*in“ greift hier nicht.
Offen ist hingegen nach wie vor, ob auch die Vergabe einzelner Aufträge an Selbständige unter das Diskriminierungsverbot fällt. Nach dem Zweck der Richtlinie wäre das, zumindest im Einzelfall, denkbar: Wie auch der EuGH betont, sollen alle diskriminierenden Hindernisse beim Zugang zu Mitteln der Sicherung des Lebensunterhalts beseitigt und Menschen diskriminierungsfrei befähigt sein, durch jede Form der Arbeit gesellschaftlich teilzuhaben.
Das EuGH-Urteil im Volltext findet sich hier. (th)