Hier lesen Sie die gemeinsame Presseaussendung des Klagsverbands und der Gleichbehandlungsanwaltschaft zu den Schutzgründen im Gleichbehandlungsgesetz.
Gleichbehandlungsanwaltschaft und Klagsverband: Eltern und pflegende Angehörige werden ab 1. November besser vor Diskriminierung geschützt
Gleichbehandlungsanwaltschaft und Klagsverband erfreut über Änderung des Gleichbehandlungsgesetzzes
Wien (OTS) – „Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen sind kein Privatvergnügen, sondern eine zentrale gesamtgesellschaftliche Verantwortung – und zwar nicht nur von Frauen! Umso wichtiger ist es, dass das Gleichbehandlungsgesetz nun explizit all jene schützt, die aufgrund von Kinderbetreuungspflichten oder Pflege in der Familie im Berufsleben diskriminiert werden, und zwar unabhängig vom Geschlecht“, freut sich Theresa Hammer, Geschäftsführerin des Klagsverbands über die mit 1. November in Kraft tretenden Änderungen des Gleichbehandlungsgesetzes. Darin werden neue Diskriminierungsverbote im Zusammenhang mit Kinderbetreuungsaufgaben und der Pflege von Angehörigen normiert, etwa bei Elternkarenz, Pflegefreistellung oder Sterbebegleitung.
Betrifft jede vierte Geschlechterdiskriminierung im Berufsleben
„Gerade in der Arbeitswelt erleben häufig Frauen Diskriminierung aufgrund von privater Sorgearbeit, die unsere Gesellschaft am Laufen hält. Das zeigt sich stark in unseren Beratungsanfragen. Aber auch Männer werden diskriminiert, wenn sie Betreuungs- und Pflegearbeit übernehmen, etwa in Karenz gehen. Es ist ein wichtiger Meilenstein, dass diese unbezahlte Arbeit im Verborgenen nun im Gleichbehandlungsgesetz endlich sichtbar gemacht wird“, sagt Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, die österreichweit Menschen bei Diskriminierung berät und in Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission unterstützt.
„Unsere Beratungserfahrung zeigt, dass Diskriminierung von pflegenden Angehörigen und Menschen mit Kinderbetreuungspflichten ein zentrales Thema ist“, sagt Konstatzky und verweist auf die Beratungsstatistiken der Gleichbehandlungsanwaltschaft. 2022 betraf fast jeder vierte Diskriminierungsfall zum Diskriminierungsgrund Geschlecht in der Arbeitswelt Themen im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hier werde das Gleichbehandlungsgesetz also in Zukunft noch besser schützen, weil nun auch die Pflege von Angehörigen explizit angeführt wird, so Konstatzky.
Offene Forderung: Verbandsklage
„Die Rechtsprechung wird zeigen, welche Rechtslücken auch bei den neuen Diskriminierungsgründen noch geschlossen werden müssen. Die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes ist jedenfalls ein positiver Schritt in Richtung Gleichstellung der Geschlechter. Um den Diskriminierungsschutz wirkungsvoll durchzusetzen, braucht es aber auch neue Rechtsansprüche und Klagemöglichkeiten. Im Gleichbehandlungsgesetz fehlt beispielsweise die Möglichkeit zur Verbandsklage, die im Behindertengleichstellungsgesetz bereits verankert ist“, so Konstatzky und Hammer unisono.
Fragen & Antworten zur Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes
Wer ist nun besser vor Diskriminierung geschützt?
Das Gleichbehandlungsgesetz zielt im Bereich der Arbeitswelt in Bezug auf den Abbau von Geschlechterdiskriminierungen wie bisher auf die Gleichstellung von Frauen und Männern ab, nimmt nun zusätzlich aber explizit die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben von Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern sowie pflegenden Angehörigen in den Blick. Wer als pflegende:r Angehörige:r oder aufgrund von privater Kinderbetreuung im Berufsleben diskriminiert wird, kann sich ab 1. November besser dagegen wehren.
Waren pflegende Angehörige und Eltern bisher nicht vor Diskriminierung geschützt?
Nachdem Frauen einen Großteil der privaten Care-Arbeit leisten, war Diskriminierung aufgrund von Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen häufig bisher schon vom Diskriminierungsgrund Geschlecht erfasst – allerdings nur als mittelbare bzw. indirekte Diskriminierung. Neu ist, dass mit 1. November eine Diskriminierung von pflegenden Angehörigen oder Eltern rechtlich eine direkte bzw. unmittelbare Diskriminierung darstellt, während bisher eine indirekte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nachgewiesen werden musste. Der Diskriminierungsschutz ist damit rechtlich besser und auch für alle klar verständlich verankert. Das bedeutet auch, dass sich Menschen nun besser wehren können, wenn sie im Berufsleben aufgrund von privater Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen diskriminiert werden. Sie müssen nicht mehr nachweisen, dass die Diskriminierungsform mit ihrem Geschlecht zusammenhängt.
Was ist sonst neu am Gleichbehandlungsgesetz?
Neu ist auch, dass die neuen Diskriminierungsgründe direkt auf Tätigkeiten wie Kinderbetreuung oder Pflege abzielen und nicht auf das Geschlecht der diskriminierten Person. Es geht also nicht nur um Frauen und Männer, sondern um Menschen aller Geschlechter.
Wann tritt die Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes in Kraft?
Die Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes wurde am 12. Oktober 2023 kundgemacht und tritt mit 1. November 2023 in Kraft.
Wie kam es zu dem Gesetz?
Mit der Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes kommt Österreich der Verpflichtung nach, die so genannte Vereinbarkeitsrichtlinie der EU umzusetzen (EU-Richtlinie über die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige). Österreich war in der Umsetzung bereits säumig.
Welche Forderungen bleiben offen?
Der Klagsverband und die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordern seit Jahrzehnten einen einheitlichen Schutz vor Diskriminierung. Auch beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, der Bildung und dem Soziallschutz soll Diskriminierung aufgrund aller Merkmale verboten sein, nämlich auch der sexuellen Orientierung, der Religion oder Weltanschauung und des Alters.
Weiters fordern die Gleichbehandlungsanwaltschaft und der Klagsverband ein Verbandsklagerecht im Gleichbehandlungsgesetz sowie einen gesetzlich verankerten Mindestschadenersatz, der eine abschreckende Wirkung erzielt und damit zum Schutz vor Diskriminierung beiträgt.
Was ist eine Verbandsklage?
Die Verbandsklage ist eine spezielle Klagemöglichkeit, die es im österreichischen Diskriminierungsrecht aktuell ausschließlich im Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) gibt. Wird gegen das BGStG verstoßen und werden dadurch allgemeine Interessen von Menschen mit Behinderungen wesentlich und dauerhaft beeinträchtigt, kann mittels Verbandsklage dagegen vorgegangen werden. In der Regel erfordert das Diskriminierungsrecht eine Klage einer konkret betroffenen Person – mittels Verbandsklage können hingegen strukturelle Diskriminierungen losgelöst vom Einzelfall aufgezeigt und damit der Weg für eine künftige gleichstellungskonforme Lösung bereitet werden. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft und der Klagsverband fordern eine Verbandsklagerecht für das Gleichbehandlungsgesetz.
Zahlen der Gleichbehandlungsanwaltschaft
Im Jahr 2022 betraf fast jeder vierte (26%)Diskriminierungsfall, bei dem es um Geschlechterdiskriminierung bei den Arbeitsbedingungen ging, Themen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 2023 hat sich die Anzahl fast verdoppelt: In diesem Jahr betraf beinahe jeder zweite (42%) Diskriminierungsfall, bei dem es um Geschlechterdiskriminierung bei den Arbeitsbedingungen ging, Themen der Vereinbarkeit. (Stand 19.10.2023)
Diskriminierungen im Zusammenhang mit Elternschaft betreffen alle Geschlechter. Das spiegelt sich auch in den Anfragen zu diesen Themen wieder: 2023 war jede 8. Person, die sich auf Grund einer Diskriminierung im Zusammenhang mit der Elternschaft an die GAW gewandt hat, männlich (Stand: 19.10.2023). Das verdeutlicht, dass das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der Gleichstellung der Geschlechter verknüpft ist. Auch wenn vor allem Frauen seit jeher Benachteiligungen wegen ihrer familiären Situation erfahren, zeigt die Situation von benachteiligten Vätern auf, wie sehr versucht wird, die traditionelle Rolle des Karrieremannes und männlichen Brotverdieners aufrechtzuerhalten. Damit wird die gleiche Aufteilung familiärer Verantwortung verhindert, was wiederum die tatsächliche Gleichstellung von Frauen verhindert.
Medienberichte
Folgende Medien haben darüber berichtet:
ORF „Zeit im Bild“, ZIB1, 31.10.2023, Diskriminierungsschutz am Arbeitsplatz
Ö1 Morgenjournal, 31.10.2023, Neuer Diskriminierungsschutz für Eltern und pflegende Angehörige
Ö1 Frühjournal, 31.10.2023, Neuer Diskriminierungsschutz für Eltern und pflegende Angehörige
ORF.at, 31.10.2023, Diskriminierungsschutz im Berufsleben wird ausgebaut
Die Presse, 31.10.2023, Mehr Diskriminierungsschutz für pflegende Angehörige
Salzburger Nachrichten, 31.10.2023, Vereinbarkeit – Diskriminierungsschutz wird ausgebaut
Tiroler Tageszeitung, 31.10.2023, Vereinbarkeit – Diskriminierungsschutz wird ausgebaut
Vorarlberger Nachrichten, 31.10.2023, Vereinbarkeit – Diskriminierungsschutz wird ausgebaut
Puls24, 31.10.2023, Vereinbarkeit – Diskriminierungsschutz wird ausgebaut
Vienna.at, 31.10.2023, Vereinbarkeit – Diskriminierungsschutz wird ausgebaut
Salzburg24.at, 31.10.2023, Diskriminierungsschutz nun auch für Eltern und pflegende Angehörige
Vienna.at, 01.11.2023, Diskriminierungsschutz im Job ausgebaut
MeinBezirk.at, 01.11.2023, Diskriminierung im Berufsleben wird erweitert