Zur Frage
Aus Anlass der ÖH-Wahlen 2009 wird diskutiert, ob Wahlschablonen für sehbehinderte und blinde Menschen vorzusehen sind. Die derzeitige Praxis sieht vor, dass blinde oder sehbehinderte Menschen von einer sehenden Begleitperson in die Wahlzelle begleitet werden dürfen. Auf diese Weise ist aber die geheime Wahl nicht sichergestellt, da die Begleitperson Zeugin oder Zeuge des Wahlverhaltens wird. Bei der Verwendung von Wahlschablonen wird der wahlberechtigten Person die Reihenfolge der wahlwerbenden Gruppen von oben nach unten mitgeteilt. Die Stimmenabgabe kann dann ohne Mithilfe einer sehenden Begleitperson erfolgen.
Rechtliche Beurteilung
§ 34 Abs 3 des Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetzes 1998 (HSG) besagt: „ Bei Hochschülerschaftswahlen sind amtliche Stimmzettel zu verwenden. Für die Beurteilung der Gültigkeit von Stimmen und die Form der Stimmabgabe sind die Bestimmungen der Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. Nr. 471, anzuwenden.“
§ 66 Abs 1 der Nationalrats-Wahlordnung (NRWO) besagt: „Das Wahlrecht ist persönlich auszuüben; blinden oder schwer sehbehinderten Wählern sind seitens der Wahlbehörde als Hilfsmittel zur Ermöglichung der selbständigen Wahlausübung Stimmzettel-Schablonen zur Verfügung zu stellen. Körper- oder sinnesbehinderte Wähler dürfen sich von einer Person, die sie selbst auswählen können und gegenüber dem Wahlleiter bestätigen müssen, führen und sich bei der Wahlhandlung helfen lassen. Von diesen Fällen abgesehen, darf eine Wahlzelle jeweils nur von einer Person betreten werden.“
Die Frage, ob Wahlzettel-Schablonen zur Verfügung zu stellen sind, stellt eine Frage der Form der Stimmabgabe dar – und diese ist gemäß § 34 Abs 3 HSG eindeutig nach der NRWO zu beurteilen, wobei sich die anzuwendende Regelung im § 66 Abs 1 findet.
§ 34 Abs 5 Z 1 HSG besagt, die Ausgestaltung des Wahlverfahrens habe zu garantieren, dass die „Wahrung des Wahlgeheimnisses durch Methoden, die gewährleisten, dass die ausgefüllten Wahlformulare anonymisiert und nicht rückverfolgbar bei den Wahlkommissionen zur Auszählung gelangen; es darf zu keinem Zeitpunkt durch die Wahlkommission oder durch Dritte eine Zusammenführung der Identität der Wählerin oder des Wählers mit ihrem oder seinem Wahlverhalten möglich sein;“. Die Bgleitung durch sehende Personen verletzt somit auch diese Bestimmung.
Bei der ÖH-Wahl 2009 sind daher Wahlschablonen für blinde und schwer sehbehinderte WählerInnen zur Verfügung zu stellen. HSG und NRWO lassen keinen Spielraum für eine andere Interpretation!
Rechtsfolgen der Verweigerung von Wahlschablonen
Wahlwerbende Gruppen und KandidatInnen für die Studienvertretung können einen Einspruch gegen die Wahl einbringen. Einem Einspruch ist stattzugeben und die Wahl ist zu wiederholen (§§ 44 Abs 4 und 45 Abs 4 HSG), wenn wesentliche Bedingungen des Wahlverfahrens verletzt wurden und hierdurch die Mandatsverteilung beeinflusst werden konnte. Bei Verweigerung von Wahlschablonen ließe sich durchaus argumentieren, dass die Gesamtheit der blinden und sehbehinderten Wahlberechtigten bei geheimer Wahl anders gestimmt hätte. Wenn dies bei einem der zu wählenden Organe zu einer anderen Mandatsverteilung führen könnte, wäre dem Einspruch stattzugeben.