Beweislast
Den ersten Teil der Studie widmet Isabelle Rorive – Professorin an der juridischen Fakultät der Université Libre de Bruxelles – der Diskussion über die Beweislast.
Anhand von Beispielen aus Belgien zeigt sie die Schwierigkeit auf, Beweise über eine vorliegende Diskriminierung zu erbringen. So ist es ua schwierig zu beweisen, dass ein/e ArbeitgeberIn, auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, eine/n StellenwerberIn nicht anstellt bzw. seine/n ArbeitnehmerIn entlässt, da ArbeitgeberInnen ihren Entschluss nicht begründen müssen und andere MitarbeiterInnen selten bereit seien gegen ihre/n ArbeitgeberIn auszusagen. Weiters fände man zum Beispiel in einer Immobilienanzeige in der Zeitung wohl nicht die Aussage: „Ausländer unerwünscht.“ Auch würde eine Person, die eine Diskriminierung begangen hat, diesen Umstand im seltensten Fall in weiterer Folge offen zugeben. Es liegt in der Sphäre des Klägers/der Klägerin den Beweis für eine Diskriminierung zu erbringen. Allerdings sind Diskriminierungsopfer oft außer Stande genügend Fakten vorzulegen, um vor Gericht einen klaren und überzeugenden Beweis für die Diskriminierung zu erbringen.
Deshalb hat sich in Diskriminierungsfällen die sogenannte Beweislastumkehr durchgesetzt. Dies bedeutet, wenn eine betroffene Person vor Gericht eine ihr zugefügte Diskriminierung behauptet, hat sie diesen Umstand lediglich glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt der Beweis, dass die behauptete Diskriminierung oder Belästigung nicht vorliegt.
Situation Testing
Im zweiten Teil beschäftigt sich die Autorin mit den Stärken und Schwächen des sogenannten „situation testing“.
Situationsanalyse ist eine experimentelle Methode um Praktiken aufzuzeigen, bei denen eine Person mit bestimmten Merkmalen in einer vergleichbaren Situation schlechter behandelt wird als eine andere Person, die diese Merkmale nicht aufweist. Dazu werden Paare, die sich lediglich durch ein Merkmal, welches einen Diskriminierungsgrund widerspiegelt (dh ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Alter, etc.), unterscheiden, einer Prüfung unterzogen. Wenn ein/e TeilnehmerIn dieser Paare mit einer anderen Behandlung konfrontiert wird, deutet diese Unterscheidung auf ein diskriminierendes Verhalten hin.
Kritik wird vor allem daran geübt, dass diese Überprüfungen einerseits womöglich einen Gesetzesbruch erst provozieren, andererseits das Recht auf Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verletzen würden. In zahlreichen Fällen stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg fest, dass das Benutzen einer fiktiven Identität zum alleinigen Zweck eine strafbare Handlung einer anderen Person aufzudecken nicht schlechthin in das Privatleben eingreift.
EU-weite Praxis
Der dritte Teil gibt anhand von Fallbeispielen einen Überblick über bereits erfolgte Testungen in Belgien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Finnland, Frankreich, Ungarn, Litauen, den Niederlanden, Slowakei und dem Vereinigten Königreich. Es wird weiters angemerkt, dass in Österreich, Zypern und Italien NGOs und ähnliche Einrichtungen begonnen haben, diese Art von Überprüfungen durchzuführen, aber bisher noch kein Fall auf deren Grundlage entschieden wurde.
Situation Testing in schwedischen Lokalen
Im vierten Teil gibt Paul Lappalainen – früherer Vorsitzender der Untersuchung „The Blue and Yellow Glass House: Structural Discrimination in Sweden“ durch die Schwedische Regierung – einen Überblick über Situationsanalyse in Schweden und beschreibt in diesem Zusammenhang die Untersuchungen, die eine Gruppe von StudentInnen in verschiedenen Lokalen und Restaurants in Stockholm, Malmö und Göteborg, durchgeführt haben. Die Arbeit der JusstudentInnen führte zu einer Reihe an Beschwerden, welche in Vergleichen oder Schadenersatzzahlungen resultierten.
Wer sich schon mit der Frage beschäftigt hat, wie Diskriminierung nachgewiesen und bewiesen werden kann, sollte dieses Studie jedenfalls lesen. Anhand vieler Beispiele aus Judikatur und Praxis wird das Thema leicht verständlich und doch sehr vielseitig dargestellt. Einzig, die Studie steht lediglich in englischer und schwedischer Sprache zur Verfügung.
Isabelle Rorive: Proving Discrimination Cases – the Role of Situation Testing