Auf Einladung der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures und der Gleichbehandlungsanwaltschaft diskutierten Expert*innen über die Zukunft der Antidiskriminierungsstellen. Theresa Hammer vertrat den Klagsverband am Podium.
Gleichbehandlung ist ein zentraler Wert für das Projekt eines gemeinsamen, offenen Europas. Seit Mai dieses Jahres gibt es erstmals rechtlich verbindliche Richtlinien der EU für die Gestaltung und Ausstattung von Gleichbehandlungsstellen. Damit soll die Durchsetzung des Diskriminierungsschutzes in den Mitgliedstaaten neue Impulse erhalten.
In zwei Gesprächspanels des Symposiums „Eine offene und inklusive Gesellschaft. Über Rolle und Auftrag der Gleichbehandlungsstellen“ im österreichischen Parlament, tauschten sich Vertreter*innen von Ombudsstellen und zivilgesellschaftlichen Gleichbehandlungsinitiativen aus Schweden, Deutschland und Österreich über praktische Fragen des Diskriminierungsschutzes aus. Grundsätzlich erwarteten sich die Teilnehmer*innen der Gespräche positive Auswirkungen durch die neuen EU-Vorgaben.
Diskutiert wurde über die Rolle von Klagerechten, wenn es um strukturelle Diskriminierungen geht, die größere Gruppen von Menschen betreffen. Angemerkt wurde dabei, dass der rechtliche Rahmen für die Rechtsdurchsetzung durch das Instrument der Verbandsklage gestärkt werden sollte. Proaktive Arbeit sei wichtig, um das Vertrauen in die Gleichbehandlungsstellen zu stärken, wurde betont. Das umfasse die Aufklärung von Betroffenen über ihre Rechte, sowie den Austausch und die Zusammenarbeit von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Diese müssten auch eine entsprechende Ausstattung mit Ressourcen erhalten, um den in sie gesetzten Erwartungen gerecht werden zu können.
Durchsetzung von Gleichbehandlung durch stärkere Klagerechte
Im ersten Dialogpanel des Symposiums tauschten sich die Teilnehmer*innen über die Rolle von Klagerechten beim Schutz vor Diskriminierung aus. Dabei wurde hervorgehoben, dass der engen Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und Organisationen der Zivilgesellschaft entscheidende Bedeutung zukommt, wenn es darum geht, mögliche Präzedenzfälle zu erkennen und die Betroffenen durch den Prozess der Klagsführung zu begleiten.
Lars Arrhenius berichtete als Leiter der schwedischen Ombudsstelle für Gleichbehandlung über die strategische Klagsführung seiner Stelle. Deren zentrale Aufgabe bestehe darin, Einzelpersonen, die Diskriminierung erfahren haben, zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Schadenersatz, auch vor Gericht, zu verhelfen. Die Befassung der Gerichte sei nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sich dadurch zeige, dass es einen effektiven Diskriminierungsschutz in der Gesellschaft gebe. Gerichtsentscheidungen tragen laut Arrhenius zu mehr Klarheit über Rechtsansprüche und Rechtslage bei und erleichtern damit auch die Durchsetzung in künftigen Causen. Fälle, die vor Gericht gebracht werden, würden außerdem Bereiche der Diskriminierung dokumentieren, sodass diese nicht geleugnet werden können. Damit, dass die Stelle Fällen nachgehe und sie vor Gericht bringe, werde auch an Verantwortungsträger und die Gesellschaft insgesamt signalisiert, dass Diskriminierung nicht geduldet und dass die Ombudsstelle für alle da sei, die Diskriminierung erfahren.
Dokustelle betont intersektionalen Diskriminierungsansatz
Eine wichtige Voraussetzung, dass die Stelle Klagen einbringen könne, sei aber, dass Betroffene ihre Rechte kennen und Vertrauen in die Institutionen haben, die ihnen helfen können. Aus diesem Grund sei die enge Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft wichtig, da dadurch Vertrauen aufgebaut werden könne. Arrhenius berichtete von aktuellen Fällen, mit denen seine Einrichtung befasst ist. Vier Klagen seien zum Umgang mit Schüler:innen mit neurologischen Entwicklungsstörungen an schwedischen Schulen anhängig. Aus Sicht der Ombudsstelle hätten die Schulen ihre Verpflichtung, Kinder beim Bildungserwerb zu unterstützen, nur unzureichend erfüllt. Im Vorjahr habe seine Stelle sich mit sechs Fällen von sexueller Belästigung beschäftigt, die es an Schulen und am Arbeitsplatz gegeben habe.
Rumeysa Dür-Kwieder ist Vorsitzende der österreichischen Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus. Sie berichtete darüber, dass ihre zivilgesellschaftliche Stelle einen „intersektionellen Ansatz“ verfolge. Die Problematik sei nämlich, dass vor Gericht oft nur ein Diskriminierungsgrund als relevant angesehen werde, obwohl die Betroffenen von mehrfacher Diskriminierung betroffen seien. In vielen Lebensbereichen, so etwa im Bildungsbereich oder beim Zugang zu Dienstleistungen, sei etwa der Schutz vor Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses nicht gegeben, vor allem im Bildungsbereich. Der Austausch mit anderen Organisationen sei wichtig, betonte Dür-Kwieder. Nur so könne es gelingen, Fälle aufzugreifen, die als Präzedenzfälle dienen und damit auch etwas bewirken könnten.
Theresa Hammer: Verbandsklage als wesentliches Instrument
Theresa Hammer, Geschäftsführerin und Leiterin der Rechtsdurchsetzung des österreichischen Klagsverbands, berichtete von den Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten des Bestehens des Zusammenschlusses von verschiedenen Interessenvertretungen. Das österreichische Recht stelle auf das individuelle Recht von Personen ab, Schadenersatz bei Diskriminierung einzufordern. Wenn der Verband sich entscheide, eine Klage zu vertreten, so sei es die strategische Überlegung, etwas zum Positiven zu verändern. Sie habe die Erfahrung, dass die Kooperation unter den Organisationen gut funktioniere. Das sei wichtig für die optimale Begleitung von Betroffenen während des gesamten Prozesses der Klagsführung. Verbessert werden könnte die Durchsetzung des Diskriminierungsverbots durch das Instrument der Verbandsklage, das derzeit nur für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehe. Eine allgemeine Möglichkeit der Verbandsklage würde aus ihrer Sicht den rechtlichen Rahmen deutlich verbessern.