Schrammel: Richtungsweisendes Urteil zum Diskriminierungsschutz für Menschen mit Assistenzhunden
Wien (OTS) — „Ich freue mich über das richtungsweisende Urteil für Menschen mit Assistenzhunden. Das Mitführen von Assistenzhunden darf kein Grund sein, um Menschen den Zutritt zu einem Hotel oder einem Restaurant zu verweigern. Denn das ist diskriminierend“, freut sich Lisa Schrammel, Juristin des Klagsverbands, über das Urteil. Mit Unterstützung des Klagsverbands wehrte sich Frau Huber [Name von Redaktion geändert] vor Gericht, nachdem ihr eine Hotelbuchung aufgrund ihres Assistenzhundes verweigert wurde. Der Assistenzhund der Klägerin gleicht Mobilitätseinschränkungen aus, indem er Türen öffnet oder Gegenstände aufhebt. Die Abweisung des Hotels empfand sie als demütigend, weil dadurch ihre gesellschaftliche Teilhabe eingeschränkt werde. Das Gericht sprach der Klägerin einen Schadenersatz von 800 Euro zu. Das Urteil ist rechtskräftig.
„Leider ist das kein Einzelfall“, berichtet Gloria Petrovics, Vorsitzende des Vereins Freunde der Assistenzhunde Europas aus der Praxis. „Diskriminierungen von Menschen mit Assistenzhunden passieren am laufenden Band.“ Betroffen seien laut Petrovics und dem Veterinärmediziner Karl Weissenbacher vom Messerli Forschungsinstitut österreichweit rund 560 Personen, die auf Assistenzhunde angewiesen sind. Der Verein Freunde der Assistenzhunde Europas hat den Fall beim Klagsverband eingebracht und das Gerichtsverfahren unterstützt. Petrovics betont: „Assistenzhunde sind keine Haustiere, sondern Hilfsmittel, wie Blindenstöcke oder Rollstühle, die ihren Halter*innen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.“
„Ich bin froh, den mühsamen Gerichtsweg gegangen zu sein“, sagt die Klägerin, die sich nach einer gescheiterten Schlichtung an den Klagsverband und den Verein Freunde der Assistenzhunde Europas wandte. „Ich hoffe, das Urteil verbessert den Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu Freizeitangeboten für alle Menschen mit Behinderungen in Begleitung ihrer unverzichtbaren Assistenzhunde. Es ist wichtig, sich gegen Diskriminierung zu wehren, um allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen“, sagt Frau Huber.
Die Juristin Schrammel hat die Klägerin für den Klagsverband vor Gericht vertreten und verweist auf das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz: „Menschen mit Behinderungen dürfen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen nicht diskriminiert werden. Das schließt das Mitführen von Assistenzhunden mit ein. Mit dem Urteil wurde erstmals gerichtlich festgestellt, dass Assistenzhunde ihre Halter*innen in Hotels überallhin dorthin begleiten dürfen, wo auch Hotelgäste Zutritt haben.“
Rückfragen & Kontakt
Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern
Paul Haller, BA BA MA
Telefon: +43 1 961 05 85-13
E-Mail: paul.haller@klagsverband.at
Hier können Sie das Gerichtsurteil herunterladen.
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Hintergrund und häufige Fragen
Frau Huber wollte einen Gesundheitsurlaub in einem Wellnesshotel buchen. In der Buchungsanfrage verwies sie bereits auf die notwendige Begleitung durch ihren Assistenzhund und die einschlägigen rechtlichen Grundlagen. Das Hotel verwies auf andere Standorte der Hotelkette, in denen Haustiere gestattet seien. Frau Huber fragt bei einem der vorgeschlagenen Standorte nach und erhielt erneut eine Absage. Das zweite Hotel verweigerte ihr die Buchung mit der Begründung, dass Hunde nur in die Lobby und ins jeweilige Hotelzimmer mitgenommen werden dürften. Sie hätten daher auch keinen Zutritt zum Restaurant-, Therapie- und Wellnessbereich des Hotels. Für Frau Huber könne hier keine Ausnahme gemacht werden.
Frau Huber machte in der Folge, vertreten durch den Klagsverband, Schadenersatz aufgrund einer Diskriminierung nach dem Behindertengleichstellungsgesetz beim Zugang zu einer Dienstleistung geltend.
Wie viele Personen sind auf Assistenzhunde angewiesen?
Rund 560 aktive Assistenzhunde gibt es aktuell in Österreich laut dem Veterinärmediziner Karl Weissenbacher, Leiter der Prüf- und Koordinierungsstelle Assistenzhunde und Therapiebegleithunde des Messerli Forschungsinstituts, und Gloria Petrovics, Vorsitzende des Vereins Freunde der Assistenzhunde Europas.
Wie viele Assistenzhunde werden in Österreich jährlich ausgebildet?
Jährlich werden in Österreich in etwa 60-65 Assistenzhunde ausgebildet. Laut Weissenbacher vom Messerli Forschungsinstitut steigt die Anzahl von Jahr zu Jahr um ungefähr 5 Prozent.
Sind Assistenzhunde Haustiere?
Nein. Assistenzhunde sind individuell ausgebildete, staatlich geprüfte und zertifizierte Hunde, die im Behindertenpass des*der Halter*in eingetragen sind. Sie sind keine gewöhnlichen Haustiere, sondern Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen wie Blindenstöcke oder Rollstühle. Zu den Assistenzhunden zählen Blindenführhunde, Servicehunde und Signalhunde. Diese Unterscheidung findet sich auch im Bundesbehindertengesetz (§39a). Servicehunde unterstützen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zum Beispiel indem sie Türen öffnen oder hinuntergefallene Gegenstände aufheben. Signalhunde unterstützen gehörlose Menschen bzw. Menschen mit chronischen Erkrankungen, indem sie zum Beispiel auf einen drohenden Krampfanfall bei Epilepsie, eine drohende Über- oder Unterzuckerung aufmerksam machen.
Welche Diskriminierungserfahrungen machen Menschen mit Assistenzhunden?
Menschen mit Assistenzhunden erleben im Alltag häufig Diskriminierungen. Besonders oft kommen Diskriminierungen im Gesundheitsbereich vor, etwa wenn Krankenhäuser den Zutritt verweigern. Im schlimmsten Fall kann das zu bedrohlichen gesundheitlichen Situationen führen, z.B. bei einer drohenden Über- oder Unterzuckerung, die ein Signalhund erkennt, bevor sie medizinisch messbar ist.
In Hotels mit Wellnesseinrichtungen und Restaurants wird Assistenzhunden ebenfalls häufig der Zutritt verweigert. Auch Zutrittsverbote für bestimmte Hotel-Bereiche (z.B. Restaurant oder Wellnessbereich) stellen eine Diskriminierung dar, wie das aktuelle Gerichtsurteil bestätigt.
Sind Aufpreise für Assistenzhunde gerechtfertigt?
Nein. In der Praxis kommt es häufig vor, dass für das Mitführen von Assistenzhunden ein Aufpreis verlangt wird. Das verstößt laut Einschätzung des Klagsverbands gegen gesetzliche Vorgaben und stellt eine massive Einschränkung der Selbstbestimmung der betroffenen Personen dar.
Dürfen Assistenzhunde aus hygienischen Gründen ausgeschlossen werden?
Häufig wird der Zutritt von Assistenzhunden mit dem Hinweis auf hygienische Bedenken abgelehnt. Wie die Sachverständige im aktuellen Gerichtsverfahren feststellte, geht von Assistenzhunden in medizinischer und hygienischer Sicht allerdings kein höheres Risiko aus als z.B. von anderen menschlichen Hotelgästen.
Was sagt die Wirtschaftskammer dazu?
Seit 2009 ist das Recht, Assistenzhunde in Hotels mitnehmen zu dürfen, auch im Leitfaden für barrierefreies Reisen des Wirtschaftsministeriums und der WKO enthalten.
Rechtliche Aussagen des Urteils
Wesentliche rechtliche Aussagen des Urteils sind laut Lisa Schrammel, Juristin des Klagsverbands:
- Das Gericht stellt klar, dass ein Assistenzhund nicht mit einem Haustier vergleichbar ist. Durch die Verweigerung des Zutritts zum Restaurant-, Therapie- und Wellnessbereich eines Gesundheitshotels in Begleitung ihres Assistenzhundes wurde die Klägerin aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert.
- Die neutral formulierte Vorschrift, nämlich dass allen Tieren der Zutritt zu Restaurant-, Therapie- und Wellnessbereich untersagt ist, benachteiligt vor allem Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung auf einen Assistenzhund angewiesen sind. Daher liegt eine mittelbare Diskriminierung nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung vor.
- Im Vergleich zu den übrigen Hotelgästen stellt ein Assistenzhund keine Mehrbelastung in hygienischer oder medizinischer Hinsicht dar. Die vom Gesundheitshotel ins Treffen geführten hygienischen Bedenken können die Diskriminierung daher nicht sachlich rechtfertigen.
- Das Gericht beurteilte einen Schadenersatz von € 800 als angemessen, die Diskriminierung ist bereits durch die Ablehnung der Buchungsanfrage der Klägerin erfolgt.
Medienberichterstattung
TV:
ORF, Zeit im Bild 1, 19:30, 15.04.2025, Urteil: Hotels müssen Assistenzhunde zulassen
ORF, Oberösterreich Heute, 19:00, 15.04.2025, Assistenzhunde in Hotels
ORF, Zeit im Bild, 13:00, 15.04.2025, Urteil: Hotels müssen Assistenzhunde zulassen
Café Puls, 15.04.2025, Assistenzhund: Eintritt verboten?!
Radio:
Ö1-Abendjournal Oberösterreich, 15.04.2025, 17:00
Ö1-Morgenjournal, 15.04.2025, 7:00 Urteil: Assistenzhunde dürfen mit zu Wellness & Restaurant
Ö3-Wecker, 15.04.2024, 8:00, Urteil: Assistenzhunde dürfen mit zu Wellness & Restaurants
Online & Print:
ORF.at, 15.04.2025, Urteil: Hotels müssen Assistenzhunde zulassen
DiePresse.com, 15.04.2025, Geld, weil der Hund nicht zum Wellness mitdurfte (Print und Online)
Heute.at, 15.04.2025, Wegen Assistenzhund – Behinderte bekam kein Hotelzimmer (Print und Online)
Krone Oberösterreich, 15.04.2025 (Print)
DerStandard.at, 15.04.2025, Frau mit Assistenzhund darf Hotelzugang nicht verwehrt werden
KleineZeitung.at, 15.04.2025, Frau mit Assistenzhund wurde Zutritt zu Wellnesshotel verwehrt: Urteil
MeinBezirk.at, 15.04.2025, Hotels müssen Assistenzhunde in allen Bereichen zulassen
Niederösterreichische Nachrichten, 15.04.2025, Assistenzhunden laut Gericht Zugang zu Hotels erlaubt
Salzburger Nachrichten, 15.04.2025, Assistenzhunden laut Gericht Zugang zu Hotels erlaubt
Vorarlberger Nachrichten, 15.04.2025, Assistenzhunden laut Gericht Zugang zu Hotels erlaubt
Oberösterreichische Nachrichten, 15.04.2025, Besitzerin klagte: Assistenzhündin in Wellnesshotel nicht erwünscht
Kurier.at, 15.04.2025, Frau mit Assistenzhund darf Hotelzugang nicht verwehrt werden
Puls24.at, 15.04.2025, Assistenzhunden laut Gericht Zugang zu Hotels erlaubt
Salzburg24.at, 15.04.2025, Gericht stellt klar: Assistenzhunde dürfen mit ins Hotel
Kronehit.at, 15.04.2025, Assistenzhund kein Haustier. Vierbeiner in Wellnesshotel?
FM Infos für Hotellerie & Gastronomie, 15.04.2025, Gesetzliches Recht auf Assistenzhund in Hotels
BIZEPS.or.at, 15.04.2025, Gericht stärkt Rechte von Menschen mit Assistenzhunden