Der 1946 geborene Kläger hatte von 2009 bis 2011 für seine Jahreskarte bei den Wiener Linien jährlich 458 Euro bezahlt. Frauen im selben Alter erhielten die Jahreskarte um den halben Preis. Der Verfassungsgerichtshof hat die entsprechende Verordnung der Verkehrsministerin zwar erst mit Ende 2011 aufgehoben, auf Grund des Vorrangs der entsprechenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinie war diese Verordnung aber ohnehin nicht anzuwenden.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat daher dem Mann recht gegeben und ihm mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (52 C 584/12m) den Betrag zugesprochen, den er mehr bezahlen musste als gleichaltrige Frauen (458 Euro) sowie eine Entschädigung für die erlittene Diskriminierung in der Höhe von 500 Euro.
Gesetz verlangt Schadenersatz
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat den Anwendungsvorrang des EU-Rechts und die Schadenersatzpflicht der Wiener Linien zwar bestätigt, über Berufung der Wiener Linien aber die Entschädigung für die erlittene Diskriminierung völlig gestrichen (LG ZRS Wien 16. 04.2013, 64 R 1/13i), obwohl das Gesetz – neben dem Ersatz des Vermögensschadens – eine solche Entschädigung für die erlittene Diskriminierung ausdrücklich verlangt. Bisher haben alle angerufenen Gerichte aller Instanzen den Klägern in denselben Fällen nicht nur den – gegenüber Frauen – zuviel bezahlten Preis, sondern auch eine Entschädigung für die erlittene Diskriminierung in der Höhe von 500 bis 1.500 Euro zugesprochen (LG ZRS Wien 19.06.2012, 35 R 151/12h; LG ZRS Wien 25.01.2013, 35 R 8/13f; LG ZRS Wien 20.02.2013, 63 R 7/13i).
Der Berufungssenat entschied damit entgegen der bisherigen Urteile der anderen Berufungssenate desselben Gerichts. Zudem hätte er – bei seiner abweichenden Rechtsansicht – die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union vorlegen müssen, der bei Diskriminierungen uneingeschränkten vollen, wirksamen und abschreckenden Schadenersatz in Form einer Sanktion verlangt (Dekker 1990, Draehmpaehl 1997, Accept 2013).
Weitere Fälle sind anhängig.
Entschädigungsanspruch für alle betroffenen Männer – Verjährung droht
Seit 1. Jänner 2012 erhalten auch Männer die ermäßigte Seniorenjahreskarte ab 60 Jahren. Alle bisherigen Urteile, bis auf das nunmehrige gesetzwidrige Berufungsurteil, bestätigten, dass die Wiener Linien den bis dahin diskriminierten Männern nicht nur den erhöhten Jahreskartenpreis zurückzahlen müssen, sondern auch eine Entschädigung für die Diskriminierung zu leisten haben.
Jeder Mann, der zwischen dem Alter von 60 bis 65 eine Jahreskarte hatte, kann die Rückzahlung und die Entschädigung verlangen. Die Ansprüche verjähren drei Jahre nach der jeweiligen Zahlung. Um Verjährung zu vermeiden sollten Klagen so rasch als möglich eingebracht werden. Rechtsschutzversicherungen decken solche Verfahren üblicherweise.
Das Gleiche gilt für die Vorteilscard senior der ÖBB und für alle anderen Verkehrsunternehmen, die Männer und Frauen ungleich behandeln oder behandelt haben.
Quelle: RA Dr. Helmut Graupner, www.graupner.at