Der Klagsverband ortet gravierende Mängel beim Diskriminierungsschutz in Österreich und fragt die Parteien nach ihren Lösungsvorschlägen.
Gefragt haben wir: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, BZÖ, Team Stronach und Neos. Die FPÖ hat die Fragen bis Redaktionsschluss leider nicht beantwortet, von der SPÖ haben wir nur eine Antwort bekommen.
(Die detaillierten Antworten der Parteien können Sie am Ende dieses Artikels herunterladen.)
So beurteilt der Klagsverband die aktuelle Situation und so haben die Parteien geantwortet:
Privatautonomie oder gleiche Rechte für Minderheiten?
Nein zum Levelling-up, weil es die Privatautonomie von Einzelpersonen zu sehr einschränken würde, nein zu einem Rechtsanspruch auf Barrierefreiheit und ja zu Sensibilisierungsmaßnahmen bei Polizei und Justiz und zu wirksameren Kontrollen, um Rassismus bei den Staatsorganen entgegen zu treten. So lassen sich die Antworten der ÖVP auf die Fragen des Klagsverbands zusammenfassen. Wenig überraschend ist das klare „Nein“ zu einer Angleichung des Diskriminierungsschutzes beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen für die Gründe Alter, sexuelle Orientierung und Religion.
Das Levelling-up gefährde die Privatautonomie des Einzelnen, wird die ÖVP nicht müde zu betonen. Geschäftsleute und DienstleisterInnen müssten sich ihre KlientInnen aussuchen können. Man könnte den Konservativen aber auch unterstellen, dass es ein berechtigtes Interesse daran gibt, Lesben und Schwule wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln. Wer also nicht in die Disko gelassen wird, kann wegen rassistischer Einlassverweigerung rechtliche Schritte setzen, wer wegen seiner Homosexualität keine Wohnung oder kein Ferienzimmer vermietet bekommt, hat keinen rechtlichen Schutz und somit keine Handhabe. Laut einer Studie der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) wurden in Österreich 48 Prozent der Befragten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert und schikaniert. Aber die Ungleichbehandlung beim Diskriminierungsschutz betrifft nicht nur Homosexuelle, sondern auch Personen, die aufgrund ihrer Religion oder aufgrund ihres Alters benachteiligt werden. Für den Generalsekretär des Klagsverbands Volker Frey ist die Angleichung des Diskriminierungsschutzes ein Gebot der Stunde. Für ihn steht Österreich im internationalen Vergleich schlecht da: „Fast alle EU-Staaten haben sich inzwischen von unterschiedlichen Schutzniveaus verabschiedet und die Universelle Menschenrechtsprüfung der UNO (UPR) hat Österreich ausdrücklich empfohlen, den Diskriminierungsschutz zu harmonisieren. Dass der internationale Druck die österreichische Regierung kalt lässt, zeigt, wo wir 20 Jahre nach der Weltmenschenrechtskonferenz in Wien stehen.“
Für das Levelling-up treten die Grünen und die SPÖ ein, die sich aber bei den jüngsten Novellen des Gleichbehandlungsgesetzes als Regierungspartei nicht gegen den Koalitionspartner durchsetzen konnte. Das BZÖ, das Team Stronach und Neos sind ebenfalls gegen das Levelling-up, auch sie argumentieren mit der Einschränkung der Privatautonomie.
Unüberwindbare Hürden oder politischer Wille für Barrierefreiheit?
Für einen Rechtsanspruch auf Barrierefreiheit sprechen sich nur die Grünen und das Team Stronach ganz klar aus. Die Grünen fordern die Verankerung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs im Behindertengleichstellungsgesetz. Eine Forderung, die auch Klagsverbands-Vorstand Martin Ladstätter voll und ganz unterstreichen kann. Erst vergangenes Jahr habe der Klagsverband einen Rollstuhlfahrer unterstützt, der eine Wiener Bäckerei geklagt hat, weil er nach einem Umbau dort nicht mehr einkaufen konnte. Der Rollstuhlfahrer hat das Verfahren zwar gewonnen und einen Schadenersatz zugesprochen bekommen, die Stufe, die ihn am Betreten des Geschäfts gehindert hat, wurde dadurch aber nicht beseitigt. (Das hat die Bäckerei erst später und freiwillig gemacht.) .
„Wir brauchen einen Anspruch von Einzelpersonen auf die Beseitigung von Barrieren“, fordert Ladstätter, denn die Geduld von Menschen mit Behinderungen sei am Ende. Immer wieder würden Etappenpläne zur Adaptierung von Gebäuden hinausgezögert. Für Menschen mit Behinderungen gestalte sich der Alltag deshalb oft als Spießrutenlauf. Aber auch von inklusiver Bildung oder der gleichberechtigten Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen könne in Österreich nicht die Rede sein. Die Republik habe sich zur Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, müsse aber noch viele Anstrengungen unternehmen, um die Konvention umzusetzen.
Rassistisches Vorgehen oder menschenwürdiger Umgang mit Personen mit Migrationshintergrund?
Ein heikles Thema ist die Frage nach der wirksamen Bekämpfung von Rassismus bei Polizei und Justiz. Kaum eine der befragten Parteien will offen sagen, dass es hier immer wieder zu Problemen kommt. Das BZÖ findet sogar, dass es „glücklicherweise kaum rassistische Zwischenfälle“ gibt. Das kann Dina Malandi, Vorstandsmitglied im Klagsverband, nicht bestätigen: „Wir haben jedes Jahr zahlreiche Anfragen von Personen, die bei Amtshandlungen der Polizei und im Kontakt mit der Justiz rassistisch behandelt wurden“, erklärt die Beraterin in der ZARA-Beratungsstelle. In der Statistik des Anti-Rassismus-Vereins machen rassistische Zwischenfälle im Kontakt mit der Polizei acht Prozent aus. Wobei sie zu bedenken gibt, dass dies nur die Spitze des Eisberges sei, weil, „die meisten Leute das Gefühl haben, es nützt nichts, sich in solchen Situationen zu wehren und deshalb erst gar keine Unterstützung suchen“, so Malandi. Die Belästigungen würden vom ungefragten „Du-Wort“ bis zu körperlichen Übergriffen reichen, erklärt sie. Betroffen seien vor allem Menschen mit dunkler Hautfarbe aber auch Personen, die auf irgendeine andere Art als „fremd“ eingestuft würden. Sie fordert deshalb verstärkte Schulungsangebote für PolizistInnen und JuristInnen. Die Grünen verlangen, dass Angehörige von Minderheiten in den Polizeidienst aufgenommen werden. Alle anderen Parteien berufen sich auf die unabhängige Kontrolle von solchen Zwischenfällen und auf wirksame Sanktionen.
Lesen Sie hier die Antworten der Parteien (Word-doc)