Zum Abschluss unserer Artikelserie über das Bundes- Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) gibt es endlich einmal gute Nachrichten: Mit der Verbandsklage können diskriminierende Regelungen angefochten und – bei erfolgreichem Ausgang des Verfahrens – zu Fall gebracht werden. Der Klagsverband hat diese Möglichkeit bei Versicherungsverträgen (Versicherungsrechtsänderungsgesetz) und erst kürzlich eine Schlichtung auf dieser Grundlage geführt.
Der Sachverhalt
Frau S. ist Sachwalterin in Wien. Im Juni 2013 informiert sie sich für ihre Klientin bei einer Versicherung wegen einer Bestattungskostenversicherung. Auf dem Antrag, der ihr kurz darauf zugeschickt wurde, soll sie ankreuzen, ob bei der versicherten Person eine Trisomie 21 Anomalie vorliegt. Aus dem Antragsformular ist ganz klar ersichtlich, dass Personen mit Trisomie 21 eine höhere Prämie zu zahlen haben. Frau S. setzt sich daraufhin mit dem Klagsverband in Verbindung.
Verbandsklagemöglichkeit eröffnet
Für Klagsverbands-Juristin Andrea Ludwig (Foto: Anna Stöcher) eröffnet sich in diesem Fall die Möglichkeit der Verbandsklage: „Seit Jänner 2013 hat der Klagsverband im Rahmen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes diese Möglichkeit. Damit können diskriminierende Bestimmungen für Menschen mit Behinderungen im besten Fall gekippt werden.“ Bei Frau S. und ihrer Klientin ist es dann aber doch nicht zur Verbandsklage gekommen: Die diskriminierenden Tarife wurden als Ergebnis einer Schlichtung von der Versicherung gestrichen.
Schlichtung meist zufriedenstellender
Schlichtungen sind im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz Voraussetzung, damit eine Klage zu Gericht gebracht werden kann. Wenn die außergerichtliche Schlichtung scheitert, ist der Weg zum Gericht frei. Ist die Schlichtung allerdings erfolgreich, erübrigt sich eine Klage und das Ergebnis ist für die Betroffenen meistens weit zufriedenstellender als ein Rechtsverfahren. So war es auch im vorliegenden Fall: Bei der Schlichtung hat die Versicherung in einer Unterlassungsvereinbarung bestätigt, dass die höheren Prämien für Menschen mit Trisomie 21 aus den Antragsformularen für die Bestattungskostenversicherung gestrichen werden.
Unterlassungsanspruch gegeben aber leider nur bei Versicherungsverträgen
Andrea Ludwig ist mit diesem Ausgang sehr zufrieden: „Wir haben damit erreicht, dass Menschen mit Trisomie 21 nicht mehr diskriminiert werden, wenn sie diese Versicherung abschließen wollen.“ Die Schlichtung als Grundlage für die Verbandsklage hat ein zufriedenstellendes Ergebnis gebracht. Der Unterlassungsanspruch, der bei Diskriminierungsfällen im Zivilrechtsverfahren nicht gegeben ist, wird somit im Verbandsklagerecht gewährt. Während die KlägerInnen im Zivilrechtsverfahren nur Anspruch auf Schadenersatz haben und sich an der diskriminierenden Situation in vielen Fällen dadurch nichts ändert, kann hier tatsächlich Diskriminierung abgeschafft werden. Ein einziger Wehrmutstropfen bleibt allerdings laut Andrea Ludwig: „Der Klagsverband hat das Verbandsklagerecht leider nur für den Bereich privater Versicherungsverträge.“
Damit ist unsere Artikelserie zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz zu Ende. Hier alle Teile der Serie im Überblick:
Teil 1: Selbstbestimmtes Wohnen endete an der Haustür
Teil 2: Stell dir vor, es gibt ein Gesetz, aber es hilft dir nicht!
Teil 3: Übergangsbestimmungen als Einladung zur Diskriminierung
Teil 4: UN-Behindertenrechtskonvention: Zum ersten Mal kommt eine Beschwerde aus Österreich
Teil 5: Die spinnen, die Römer!
Teil 6: Gericht sieht Barrieren, erkennt aber keine Diskriminierung