Ich bin begünstigt behindert, habe also einen Behindertenausweis des Bundesozialamts. Macht es einen Unterschied, ob ich gekündigt werde oder eine einvernehmliche Auflösung meines Arbeitsverhältnisses unterschreibe?
Begünstigte Behinderte haben einen erhöhten Kündigungsschutz (besonderer Kündigungsschutz gem. § 8 BEinstG). Erhöhter Kündigungsschutz bedeutet, dass der Dienstgeber vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung des Behindertenausschusses einholen muss. Achtung: Während der ersten sechs Monate eines neu begründeten Arbeitsverhältnisses gilt der Kündigungsschutz nicht.
Warnung: Bei einer einvernehmlichen Auflösung besteht kein besonderer Kündigungsschutz!
Ich habe mich für einen Job beworben und wurde abgelehnt. Ich glaube, dass hat damit zu tun, dass ich Frau und behindert bin? Macht es einen Unterschied, aus welchem Grund ich abgelehnt wurde?
In beiden Fällen handelt es sich um verpönte Motive bei der Personaleinstellung. Es werden nur unterschiedliche Gesetze angewendet (Gleichbehandlungsgesetz bzw. Behindertengleichstellungsgesetz).
Wenn Sie aus beiden Gründen abgelehnt wurden, handelt es sich um eine Mehrfachdiskriminierung, wobei Sie das Verfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (§§ 14 ff BGStG, Schlichtungsverfahren) einhalten müssen! Das bedeutet, dass Sie beim Bundessozialamt eine Schlichtung durchführen müssen. Wenn eine solche innerhalb von sechs Monaten nicht gelingt, erhalten Sie eine Bestätigung, mit der Sie bei Gericht eine Klage einbringen können.
Gelten die Antidiskriminierungsbestimmungen für behinderte Menschen in der Arbeitswelt nur für InhaberInnen eines Behindertenausweises?
Die Antidiskriminierungsbestimmungen gelten für alle Menschen mit Behinderung!
Wichtig sind die §§ 7a bis 7r BEinstG. Unter Behinderung versteht das Behinderteneinstellungsgesetz (Behindertengleichstellungsgesetz) eine Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben (am Leben in der Gesellschaft) zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Was kann ich tun, wenn eine Schlichtung nicht eingehalten wurde?
Klage: Die Einigung zwischen den Parteien im Schlichtungsverfahren stellt juristisch gesehen eine privatrechtliche Vereinbarung, d.h. einen Vertrag dar, an den beide Parteien gebunden sind. Beide Vertragsparteien haben auf die Erfüllung der vereinbarten Leistung oder Handlung einen Anspruch. Dieser Anspruch kann direkt aus der getroffenen Schlichtungsvereinbarung mittels Leistungsklage vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Konkret richtet sich die Forderung in der Klage nach der von der anderen Streitpartei zu erfüllenden Leistung, die sich direkt aus der Schlichtungsvereinbarung ergibt. Mit dem Urteil wird der Beklagte zur Leistungserbringung rechtskräftig verpflichtet. Das macht ein anschließendes Exekutionverfahren möglich.
Frist: Damit der Anspruch aus der Vereinbarung nicht verjährt, muss die Klage binnen 3 Jahren bei Gericht eingebracht werden. Ist der Streitpartei in der Schlichtungsvereinbarung eine Frist für die Leistungserbringung gesetzt worden, so beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist, sobald die andere Partei die Frist zur Erbringung der vereinbarten Leistung nicht eingehalten hat.
Grundsätzlich ist der Inhalt der Schlichtungsvereinbarung frei wählbar. Alle denkbaren Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in Richtung größtmöglicher Annäherung an Nicht-Diskriminierung können durch die Parteien fixiert werden. Auch ein Teilvergleich ist möglich (z. Bsp. bei sehr komplexen Sachverhalten).
Tipp: Folgende Punkte sollten bei Abschluss der Vereinbarung beachtet werden:
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Schlichtungsvereinbarung jedenfalls schriftlich festhalten
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Forderungen an die Gegenpartei präzise formulieren
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für die geforderte Leistung eine realistische Frist festsetzen, in der die vereinbarte Leistung zu erbringen ist
Durch die Fristsetzung entfällt eine nochmalige Aufforderung und Fristsetzung zur Leistungserbringung. Der Klagsweg kann bei Nichterfüllung der Schlichtungsvereinbarung in der fixierten Frist umgehend beschritten werden.
Können Minderjährige ohne die Zustimmung der/des Erziehungsberechtigten eine Schlichtung im Sinne des BGStG einleiten?
Minderjährigkeit: Die Gesamtheit der Minderjährigen unterteilt sich in die unmündigen Minderjährigen (bis zum vollendeten 14. Lebensjahr) und die mündigen Minderjährigen (14 – 18 Jahre). Der Gesetzgeber stellt die Minderjährigen unter besonderen Schutz und fixiert im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), dass ein minderjähriges Kind ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten kann. Für die mündigen Minderjährigen gelten jedoch zahlreiche Ausnahmeregelungen.
Einleitung des Schlichtungsverfahrens: Im Schlichtungsverfahren nach dem BGStG verpflichtet sich der mündige Minderjährige in der Schlichtungsvereinbarung in der Regel nicht, aber der Abschluss einer solchen Vereinbarung ist eine rechtsgeschäftliche Handlung. Das BGStG und auch kein anderes Gesetz beinhalten diesbezüglich eine Ausnahmeregelung, die in einem solchen Fall von der ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung des/der gesetzlichen Vertreters absieht.
Vorgehensweise: Wird der Minderjährige bei der Einleitung einer Schlichtung nicht durch den/die Erziehungsberechtigten vertreten, so muss der folgende Weg beschritten werden:
- Anrufen des örtlich zuständigen Pflegschaftsgerichts
- Bestellen eines Kurators
- Beantragung einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung für das Schlichtungsverfahren durch den gerichtlich bestellten Kurator
- Begleitung des Minderjährigen im Schlichtungsverfahren durch den Kurator
Informatives: In der Regel wird der Minderjährige bei der Einleitung der Schlichtung und während des Verfahrens von den Erziehungsberechtigten vertreten. Sollten sich die Erziehungsberechtigten zur Unterstützung einer Schlichtung nicht bereit erklären, so kann der Minderjährige sein Anliegen auch selbst an das zuständige Pflegschaftsgericht herantragen.
Da die Schlichtung formlos ist, kann im Verfahren auf Wunsch eine Vertrauensperson hinzugezogen werden. Hier könnte es sich im Einzelfall anbieten, dass der/die Minderjährige zur Unterstützung und sachgerechten Beratung z. B. von einem Mitglied eines einschlägig tätigen Vereins begleitet wird, denn den SchlichtungsreferentInnen obliegt im Verfahren keine Anleitungs- oder Beratungspflicht gegenüber den Parteien.
Können mündige Minderjährige selbständig klagen?
Die Frage, ob mündige Minderjährige selbständig klagen können muss grundsätzlich mit nein beantwortet werden. Es gibt von dieser Grundregel einige Ausnahmen, die jedoch nicht den Bereich der Diskriminierung betreffen.
Beispiele für Ausnahmen:
- Jugendliche können in Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren selbständig handeln (z. Bsp. Anträge stellen, Rechtsmittel erheben)
- Jugendliche können die ihnen auf Grund der Sozialversicherungsgesetze sowie des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zustehenden Leistungen selbständig geltend machen
- unbegleitete Jugendliche können einen Asylantrag stellen
Mein Sohn wird in der Schule durch MitschülerInnen wegen einer körperlichen Behinderung regelmäßig verspottet. Ist das eine Diskriminierung?
Ja, da an Bundesschulen (AHS, BMS, BHS) LehrerInnen für den Umgang in der Schule zuständig sind. Sollte einem/einer LehrerIn das Verhalten der MitschülerInnen auffallen und nichts dagegen unternehmen, ist dies eine Unterlassung seiner/ihrer Pflicht. Die Unterlassung bewirkt, dass die Person in ihrer Würde verletzt wird und stellt somit eine Diskriminierung dar.
Versicherungsbedingungen enthalten eine Klausel, die besagt, dass Menschen mit Nervenkrankheiten nicht versichert werden können. Widerspricht das dem Behindertengleichstellungsgesetz?
Eine Klausel, die jeden Menschen mit Nervenkrankheit von der Versicherung ausschließt, ist eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund einer Behinderung.
Bei einer mittelbaren Diskriminierung muss geprüft werden, ob auf Grund eines erhöhten Risikos erhöhte Kosten anfallen können. Diese Kosten dürfen aber keineswegs einen Ausschluss aus der Versicherung bedeuten, sondern rechtfertigen lediglich eine Berücksichtigung in der Prämie.
Kann eine chronische Krankheit eine Behinderung im Sinne des Behindertengleichstellungs- und Behinderteneinstellungsgesetzes sein?
Eine chronische Krankheit kann eine Behinderung darstellen, wenn sie der betroffenen Person über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten die Teilhabe am Arbeitsleben bzw. am Leben in der Gesellschaft erschwert.
Sind nur begünstigt behinderte Menschen vom Behindertengleichstellungsgesetz geschützt?
Die Antidiskriminierungsbestimmungen gelten für alle Menschen mit Behinderung, nicht nur für begünstigt behinderte Menschen.
Unter Behinderung versteht das Behinderteneinstellungsgesetz (Behindertengleichstellungsgesetz) eine Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben (am Leben in der Gesellschaft) zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
(Aktueller Stand: 09.09.2010)