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Hate Speech, auf Deutsch in etwa „Hassreden“, bezeichnet alle Ausdrucksformen, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, oder andere Formen von auf Intoleranz gegründeten Hass, inklusive der Intoleranz, die sich durch aggressiven Ethnozentrismus, Diskriminierung und Feindlichkeiten gegenüber Minderheiten, Migranten und Personen mit Migrationshintergrund äußern, verbreiten, erwecken, fördern oder rechtfertigen – so eine verbreitete Definition. Allerdings kann sich der Inhalt genauso auf das Geschlecht, die Sexualität, eine Behinderung oder das Alter beziehen, hate speech können jede Form der Intoleranz beeinhalten.
Eine weitere Erscheinungsform stellen Leugnungen dar, die oft im Zusammenhang mit dem Holocaust auftreten. Diese Verleugnungen enthalten einerseits den Vorwurf an die Opfer zu lügen sowie andere zu verunglimpfen und andererseits zugleich eine Rechtfertigung oder Verherrlichung der tatsächlichen Geschehnisse.
Eines der Hauptprobleme bei den Überlegungen ob eine Aussage in die Kategorie der verbotenen Hate Speech fällt, stellt die damit verbundene Beschränkung der Redefreiheit dar. Denn mit dem Verbot gewisser Äußerungen zum Schutz vor Diskriminierung geht stets eine Beschränkung des Grundrechtes auf Redefreiheit einher. Dieses Spannungsfeld gebietet sorgfältige und überlegte Abgrenzungen, die auf keinen Fall willkürlich erfolgen dürfen.
Wie ist die internationale Situation?
Nach der Judikatur des EGMR ist zu unterscheiden, ob eine Äußerung nur „abstößt, schockt und stört“, aber noch zulässig ist, oder ob sie bereits geeignet ist Hass zu erwecken.
Dabei berücksichtigt der EGMR:
– das Ziel, das mit der Äußerung verfolgt wurde,
– den Inhalt der Aussage,
– den Zusammenhang, in dem diese getätigt bzw. wiedergegeben wurde,
– wer das Ziel der Äußerung ist,
– wie öffentlich diese erfolgte und daraus mögliche resultierende Folgen, sowie
– Art und Schwere der auferlegten Strafe.
Der EGMR stützt sich bei seinen Urteilen im Allgemeinen primär auf Artikel 17 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der einen Missbrauch der Rechte durch Handlungen untersagt, die den grundlegenden Wertungen der Konvention entgegenstehen. Soweit Artikel 17 nicht anwendbar ist, da die Äußerungen nicht so schwerwiegend sind, aber trotzdem hate speech vorliegen, so kommen Artikel 10, 2. Absatz und Artikel 11 2. Absatz zur Anwendung, die unter gewissen Voraussetzungen Einschränkungen der Rede- und Versammlungsfreiheit zulasen. In diesem Fall muss die Beschränkung aber vorhersehbar, aufgrund eines der in Artikel 10 EMRK legitimierten Ziele erfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich sein.
Lange Zeit beschränkte sich der EGMR in seinen Urteilen auf bestimmte Bereiche der Hate Speech, vor allem auf die politischen, rassistischen und religiösen Äußerungen, wie die Empfehlung des Minsterkomitees des Europarates (Reccomendation No. R (97) 20) es empfahl, um nicht die Übersicht zu verlieren.
Rassismus
Im Bereich des Rassimus gab es im Jahr 2009 das Urteil Féret. v. Belgien. Der belgische Parlamentarier war zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden und für 10 Jahre vom Parlament ausgeschlossen worden, da er in seiner Wahlkampagne gegen den Islam und Migranten hetzte. Daraufhin ging er zum EGMR, seiner Klage wurde allerdings nicht stattgegeben, die Verurteilung durch das belgische Gericht war zurecht erfolgt. Ansich werden bei Politikern strengere Anforderungen gestellt, da sie aufgrund ihrer Funktion eine spezielle Verantwortung tragen, derer sie sich bewusst sein sollten.
Bereits im Jahr 2004 erging das Urteil Jersild v. Dänemark. Der dänische Dokumentarfilmer hatte in einer seiner Dokumentationen ein Interview mit einer rassistischen Gruppe gebracht, aufgrund dessen er zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Der EGMR gab der Klage in diesem Fall statt, da die Dokumentation als Ganzes zu betrachten sei, deren Ziel die Information der Öffentlichkeit bezüglich eines bereits diskutierten Problems war. Bezüglich Äußerungen in den Medien ist zwischen der Person, die das Medium zur Verfügung stellt und deren Kontrollpflicht, die aus Gründen der Pressefreiheit nicht zu eng gesehen werden soll, und demjenigen, der die Aussage trifft zu unterscheiden.
Auch im Fall Gündüz v. Türkei im Jahr 2003, wurde der Klage stattgegeben. Herr Gündüz war als Vertreter seiner Gruppierung in einer Fernsehdebatte für die Sharia eingetreten und zu zwei Jahren Haft sowie zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Da er bereits in diesem Zusammenhang bekannt war und das Thema von allgemeinem Interesse, waren seine Äußerungen zulässig.
Religiöse Hate Speech
Bezüglich religiöser Hate Speech wird betont, dass die Mitglieder einer Religion Kritik und auch Ablehnung des Glaubens akzeptieren müssen, aber auch hier gilt, dass durch Äußerungen gegenüber einer größeren Öffentlichkeit kein Hass erweckt werden darf. So wurde 2007 im Fall Pavel Ivanov v. Russland der Klage Ivanovs nicht stattgegeben. Dieser hatte in seinen Artikeln die Juden für alles Schlechte in Russland verantwortlich gemacht und zur Gewalt aufgerufen und war zu einer Geldstrafe veruteilt worden, da die Möglichkeit eines Verbots weiterer journalisitischer Tätigkeiten erst nach dessen Äußerungen geschaffen worden war.
Sexuelle Orientierung
Im Februar 2012 erging schließlich im Fall Vejdeland u.a. v. Schweden das erste Urteil gegen Hate Speech aufgrund der sexuellen Orientierung. Eine Gruppe hatte in einer öffentlichen Schule Flugblätter mit schweren Vorwürfen gegen Homosexuelle verbreitet. Die Verurteilung der schwedischen Gerichte erfolgte zurecht, da es zwar keinen direkten Aufruf zu Hass gab, aber ernste Vorurteile und Vorwürfe auf eine besonders verwerfliche Art verbreitet wurden.
Welche Möglichkeiten gibt es in Österreich?
In Österreich gibt es mit §283 StGB den Tatbestand der Verhetzung. Dieser belegt das ausdrückliche Hetzen gegen jemanden in der Öffentlichkeit oder vor einer breiten Masse, aufgrund von dessen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe sowie dessen Beschimpfung auf eine die Menschenwürde verletzende Weise, mit bis zu zwei Jahren Haft. §283 ist in seiner derzeit geltenden Form erst seit Beginn des Jahres in Kraft, die Novellierung brachte die Einbeziehung von Behinderung, Alter Sexualität und Geschlecht, sowie auch die Verhetzung von Einzelpersonen. Die Erfordernisse bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung wurden im parlamentarischen Prozess leider stark erweitert.
Dem §283 StGB geht aufgrund seiner Spezialität §3h VerbotsG vor, der die Leugnung, Verharmlosung, Rechtfertigung und Gutheißung nationalsozialistischer Verbrechen mit Strafe belegt.
Zivilrechtlich könnte §1330 ABGB zu berücksichtigen sein, der für die Ehrenbeleidigung Schadenersatz, aber keinen Ersatz immaterieller Schäden vorsieht.
Urteile gibt es in Österreich zu Hate Speech kaum, mit Ausnahme einiger Urteile zum Verbotsgesetz gibt es nur vereinzelte Urteile, was wohl an den hohen Anforderungen bezüglich der Öffentlichkeit der Aussagen liegen mag. Auch nach der Herabsetzung der Erfordernisse ist die Schwelle noch relativ hoch. Noch gibt es zur novellierten Form keine Urteile. Zur alten Rechtslage besagte das Urteil 13Os30/82 des OGH, dass die Versendung an 90 willkürlich ausgewählte, teils lose, Bekannte das Erfordernis der Öffentlichkeit erfüllt, da Gleichzeitigkeit nicht erforderlich ist und mit Weiterverbreitung zu rechnen sei.
Was zu sagen bleibt:
Da der Inhalt von Hate Speech großteils diskriminierende Wertungen enthält, die die Betroffenen verletzen und außerdem aufgrund der öffentlichen Tätigung weitere Feindseligkeiten und Diskriminierungen gegenüber den Opfern hervorrufen können, erachtet der Klagsverband es als wichtig Hate Speech zu unterbinden, klarzustellen, dass diese nicht gerechtfertigt sind und den Opfern zu Entschädigung zu verhelfen.
Zur gegenwärtigen Situation bleibt anzumerken, dass die Hürde zu einer Verurteilung aufgrund von Hate Speech hoch ist, wie sehr die novellierte Form des §283 trotzdem greifen kann, bleibt wohl vorerst noch abzuwarten.
Außerhalb des Strafrechtes gibt es kaum Sanktionen, immateriellen Schadenersatz gibt es nicht, dabei empfiehlt das Ministerkomitee des Europarates in seiner Reccomendation No. R (97) 20 die Verlegung ins Zivilrecht, da dieses flexibler als das Strafrecht sei, wenn es um individuelle Strafen gehe. Denn Haft- und Geldstrafen wären eher nicht geeignet die Ansichten des Verurteilten zu ändern und bringen den Opfern zwar Gerechtigkeit aber keine Entschädigung für erlittene Angst und Kränkungen.
Dies gilt nicht nur im Bereich der Hate Speech sondern grundsätzlich im Zusammenhang mit Diskriminierungen. Schließlich geht es nicht primär um die Bestrafung des Täters, sondern um die Klarstellung, wann es sich um eine Diskriminierung handelt und darum, die Opfer möglichst zu schützen und zu entschädigen. Auch eine Verschiebung der Beweislast wäre durch eine Verlagerung in das Zivilrecht möglich und würde den Betroffenen eine große Belastung abnehmen.