Die UN-Frauenrechtskonvention verlangt von Österreich Antworten auf die schlechteren Bildungschancen von Schülerinnen mit Migrationshintergrund.
Mädchen und Buben mit Migrationshintergrund gelten in Österreich als die klassischen Bildungsverlierer_innen. Hierzulande wird Bildung vererbt, Akademiker_innen-Kinder machen viel häufiger selber einen Universitäts-Abschluss als Kinder aus Arbeiter_innen-Haushalten oder sogenannten bildungsfernen Familien.
Früher Schulabbruch von Mädchen mit Migrationshintergrund
Auch in diesem Bereich lohnt es, die Gender-Brille aufzusetzen. Zumal die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) in Artikel 10 die umfassende Gleichstellung beim Zugang zu Bildung fordert: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau, um ihr im Bildungsbereich die gleichen Rechte wie Männern zu gewährleisten …“.
Im NGO-Schattenbericht zur UN-Frauenrechtskonvention aus dem Jahr 2018 haben die Expert_innen Andrea Leitner und Angela Wroblewski vom Institut für Höhere Studien (IHS) auf einen besonderen Umstand hingewiesen: der frühe Schulabbruch von Mädchen mit Migrationshintergrund.
Im Konventionstext heißt es dazu, die Vertragsstaaten hätten Folgendes sicherzustellen (Artikel 10f): „Verringerung des Prozentsatzes der vorzeitigen Studienabgänge bei Studentinnen und Veranstaltungen von Programmen für Mädchen und Frauen, die vorzeitig aus der Schule ausgetreten sind …“.
Wroblewski und Leitner interessieren sich im NGO-Schattenbericht jedoch nicht nur für Maßnahmen, um Schulabbrecher_innen aufzufangen. Sie zeigen auf, dass „bei Mädchen mit Migrationshintergrund das Bildungsabbruchsrisiko beinahe dreimal so hoch ist wie im Durchschnitt … 29 Prozent der 15 bis 24-jährigen Mädchen mit Migrationshintergrund weisen maximal einen Pflichtschulabschluss auf und sind in keiner weiterführenden Ausbildung.“
Empirische Daten und Studien fehlen
Wroblewski und Leitner fordern deshalb in ihrem Beitrag zum NGO-Schattenbericht mehr empirische Daten und Studien zu Schulabbrecherinnen mit Migrationshintergrund: „Zur hohen Schulabbruchsquote von Mädchen mit Migrationshintergrund liegen keine weiterführenden Untersuchungen vor. Damit fehlen empirische Grundlagen für eine gezielte Verringerung der Abbruchsrisiken.“
Und weiter: „Es ist aber davon auszugehen, dass soziale Herkunft durch Bildungsvererbung und Geschlechterrollen für die Risikogruppe der Frauen mit Migrationshintergrund eine noch größere Rolle spielen, als dies allgemein für BildungsabbrecherInnen diskutiert wird. Bildungsabbrüche von Frauen sind häufig durch ihre Geschlechtsrollen, durch Schwangerschaften, Unterstützung von Familienmitgliedern und Mobbing bestimmt, während bei Männern stärker Konflikte, Bestrafungen, Exklusionen und sonderpädagogische Bedürfnisse als Abbruchsgründe angeführt werden.“
Komitee verlangt Maßnahmen von Österreich
Das UN-Frauenrechtskomitee hat diese Forderung bei der Staatenprüfung von Österreich im Jahr 2019 aufgegriffen und eine Empfehlung (30d) dazu in den Abschließenden Bemerkungen (Concluding Observations) formuliert:
„… eine neue Strategie zu beschließen, um die Abbruchsrate von Mädchen mit Migrationshintergrund, deren Eltern niedrigere Bildungsniveaus haben, in der höheren Sekundarstufe zu verringern und um sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen, die ihre Ausbildung abgebrochen haben, wieder in das Bildungssystem integriert werden;“
Das Komitee hat diese Empfehlung gemeinsam mit drei weiteren als besonders dringlich eingestuft und die Regierung um einen Zwischenbericht dazu im Sommer 2021 gebeten.
Politik gefordert
Man darf also gespannt sein, was die Regierung im Sommer dazu berichten wird und ob Bildungsminister Faßmann, Integrations- und Frauenministerin Raab oder der neue Wiener Bildungsstadtrat Wiederkehr in seiner „Fortschrittskoalition“ Schritte zur Verringerung der Schulabbruchsquote von Mädchen mit Migrationshintergrund setzen werden.
Kopftuchverbot vom VfGH gekippt
Als Maßnahme, die Mädchen mit Migrationshintergrund beim gleichberechtigten Zugang zu Bildung ausgeschlossen hätte, hat das UN-Frauenrechtskomitee übrigens auch ein Kopftuchverbot in der Schule gewertet.
In Empfehlung 30a der Abschließenden Bemerkungen heißt es, das Komitee zeige sich besorgt über „… die Entscheidung des Vertragsstaates “ideologisch oder religiös beeinflusste Bekleidung” in Schulen zu verbieten und dass dies eine diskriminierende Auswirkung auf migrantische Mädchen haben könnte;“
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Kopftuchverbot in Volksschulen mit 11. Dezember 2020 als verfassungswidrig aufgehoben.
Inklusive Bildung
Abschließend bleibt noch zu ergänzen, dass auch Inklusion in der Bildung ein zentrales Anliegen des UN-Frauenrechtskomitees ist und in Empfehlung 30e der Abschließenden Bemerkungen empfohlen wird, inklusive Bildung für alle Mädchen und Frauen zu gewährleisten. Mädchen mit Behinderungen, die einen Migrationshintergrund haben, werden hier allerdings nicht eigens genannt. (da)