Warum ist die aktuelle Regelung der Wohnbeihilfe in Öberösterreich diskriminierend? Darüber schreiben die Geschäftsführer*innen des Klagsverbands, Theresa Hammer und Paul Haller, in der aktuellen Kolumne „Mit Recht gegen Diskriminierung“. Der Text erschien in der Fachtzeitschrift „Soziale Arbeit in Österreich“ des Österreichischen Berufsverabnds für Soziale Arbeit (SIÖ — Ausgabe 2023, Ausgabe 4). Hier lesen Sie die Vollversion.
Mit Recht gegen Diskriminierung
Keine Wohnbeihilfe ohne Deutschzertifikat? Wie das Land Oberösterreich Drittstaatsangehörige diskriminiert.
Paul Haller, Theresa Hammer
Es ist schon wieder etwas passiert. Bereits zum vierten Mal seit 2016 muss der Klagsverband gegen das Land Oberösterreich vor Gericht ziehen, damit von Diskriminierung Betroffene zu ihrem Recht kommen. In allen vier Fällen geht es um rassistische Diskriminierung am Wohnungsmarkt, konkret um die Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen bei der oberösterreichischen Wohnbeihilfe. Doch zunächst eine Einordnung.
Die Soziale Arbeit kann sich dem Thema Wohnen aus unterschiedlichen Richtungen zuwenden. Nach Ilse Arlt gehört Wohnen zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Akteur*innen wie die Armutskonferenz beschreiben Wohnen als Grundrecht und Grundbedürfnis. Zugleich ist in internationalen Konventionen angemessener und leistbarer Wohnraum als soziales Menschenrecht verbrieft. So beispielsweise in Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die unterzeichnenden Vertragsstaaten erkennen darin das „Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen“ an. Auch Österreich hat den Völkerrechtsvertrag unterschrieben, der in den globalen Ethikstandards der Sozialen Arbeit als eine der menschenrechtlichen Quellen genannt wird, auf die sich die Soziale Arbeit stützt.
Im Diskriminierungsrecht fällt Wohnen in den Bereich „Zugang zu Gütern und Dienstleistungen“, des Weiteren gibt es Diskriminierungsverbote bei Sozialleistungen. Menschen sollen hier unter anderem vor Diskriminierungen aufgrund ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen ethnischen Zugehörigkeit geschützt werden. Dabei geht es um alle mit der (vermeintlichen) Herkunft, Hautfarbe, Kultur oder Sprache zusammenhängenden und letztlich rassifizierenden und rassistischen Benachteiligungen. Im Unterschied zu internationalen Konventionen bietet das Diskriminierungsrecht betroffenen Personen die Möglichkeit, sich über Schlichtungen oder Klagen direkt gegen Diskriminierung zu wehren. Oberösterreich verfolgt seit mehreren Jahren sozialpolitisch einen Weg, der für Drittstaatsangehörige gezielte Schlechterstellungen im Bereich des Grundbedürfnisses Wohnen vorsieht. Neben der sozialen Bedürftigkeit müssen Drittstaatsangehörige in Oberösterreich – anderes als Österreicher*innen und EU-Bürger*innen – eine langfristige Aufenthaltsberechtigung („Daueraufenthalt EG“), ein durchgängiges Einkommen und seit 2018 zudem zertifizierte Deutschkenntnisse nachweisen, um Zugang zur Wohnbeihilfe oder gemeinnützigem Wohnraum zu haben. Hierbei wird an Herkunft und Sprachkenntnisse angeknüpft und dabei ein politischer Diskurs bedient, der – gerade was Sozialleistungen betrifft – zunehmend auf ein „wir“ (EU/EWR-Bürger*innen) gegen „die anderen“ setzt. Aus Sicht des Klagsverbands und vieler migrantischer und sozialpolitischer Organisationen stellt die aktuelle Regelung der Wohnbeihilfe in Oberösterreich einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit dar.
In Oberösterreich sind von dieser Verschlechterung seit 2018 mehrere tausende Haushalte betroffen. Zum Teil bereits sehr lange in Österreich lebende Menschen können sich ihre Miete ohne die Wohnbeihilfe oft nur leisten, wenn sie in anderen (existentiellen) Lebensbereichen sparen. Der Klagsverband vertritt in einem aktuellen Verfahren wieder eine dieser betroffenen Familien.
Rassistische Diskriminierung und struktureller Ausschluss von Menschen nach Aufenthaltskriterien betrifft
darüber hinaus aber auch zahlreiche weitere Bereiche des österreichischen Wohnungsmarkts. Von Zugangskriterien für geförderte Wohnungen, diskriminierenden Wohnungsinseraten bis hin zu konkreten Ablehnungen von interessierten Mieter*innen. Das belegen nicht nur unzählige Erfahrungsberichte und journalistische Selbstversuche, die dieses Jahr für großes Aufsehen sorgten, sondern auch eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts SORA im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Der Staat hat die Aufgabe, in diesem zentralen Lebensbereich vor Diskriminierung zu schützen und sollte tunlichst vermeiden, selbst zu diskriminieren, wie im Fall der oberösterreichischen Wohnbeihilfe. Eine gerichtliche Entscheidung in dem vom Klagsverband unterstützen Fall hätte eine wichtige Signalwirkung. Denn auch in anderen sozialpolitischen Bereichen gibt es Schlechterstellungen von Nicht-Österreicher*innen, und es wird laut über weitere Kürzungen auf Kosten dieser Menschen nachgedacht.
Hier können Sie die Kolumne als PDF herunterladen.
Hier kommen Sie zur Fachzeitschrift „Soziale Arbeit in Österreich“