Die Plattform Menschenrechte Salzburg veröffentlicht jährlich einen wichtigen Bericht zu Lage der Menschenrechte. Barbara Sieberth und Selina Oberortner beschreiben in ihrem Beitrag für den Menschenrechts-Bericht 2023 die Arbeit der Anti-Diskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg. Hier lesen Sie Artikel 1 von 5 aus dem Bericht der Plattform Menschenrechte Salzburg.
Monitoring 2023 der Anti-Diskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg
Im Jahr 2023 hat die Anti-Diskriminierungsstelle ihr 11-jähriges Bestehen in der Stadt Salzburg gefeiert. Am 13. Oktober fand dazu die offizielle Feier statt, bei der die Besucher:innen am Nachmittag die Möglichkeit hatten, entweder an einem Workshop unserer Inklusions-Botschafter:innen oder an einem Workshop zum Thema Anti-Rassismus teilzunehmen. Am Abend präsentierten uns die damaligen Initiator:innen der Anti-Diskriminierungsstelle einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung in den vergangenen Jahren: 11 Jahre voller Unterstützung, Begleitung und Beratung von Menschen, die diskriminiert werden oder eine Diskriminierung beobachtet haben und melden möchten.
Wirkungsvolle Anti-Diskriminierungsarbeit braucht mehr Ressourcen
Im Jahr 2023 standen nur noch 14 Wochenstunden für die Beratung von Menschen zur Verfügung. Die 2019 durchgeführte Kürzung konnte durch die 2022 erfolgte Valorisierung nicht aufgefangen werden. Für wirkungsvolle Anti-Diskriminierungsarbeit in einer Stadt ist das weiterhin zu wenig. Die Beratung umfasst komplexe Themen und erfordert oft die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partner*innen in der Stadt Salzburg. Um in einer tragfähigen Vernetzung zusammenarbeiten zu können, braucht es auch dafür mehr Ressourcen. Bildungsarbeit kann aus eigenen Mitteln nur sehr eingeschränkt wahrgenommen werden, die Nachfrage wäre da. Viele Diskriminierungserfahrungen liegen auch strukturell verankert. Die Anti-Diskriminierungsstelle würde gerne auch im strukturellen Bereich die Erfahrungen der Klient*innen einbringen – mit den geringen Kapazitäten ist das jedoch derzeit nicht möglich.
Inklusiver Kurs
Erfreulich ist 2023 die Durchführung des Inklusiven Kurses mit Fördermittel des Landes Salzburg. 15 Menschen mit und ohne Behinderung wurden in der ersten Hälfte des Jahres zu Inklusions-Botschafter:innen und deren Partner:innen ausgebildet. In der zweiten Hälfte übten sie in der „Begleiteten Praxis“ erste Sensibilisierungseinsätze. In der Praxisphase hielten die Botschafter:innen verschiedene Workshops, wie z.B. im Café der Kulturen im ABZ oder im Jugendzentrum IGLU. Mit Hilfe von Rollstühlen und Blindenstöcke wurden die Berührungsängste der Jugendlichen gegenüber Menschen mit Behinderung abgebaut. Die Inklusions-Botschafter:innen wurden auch zu Gesprächen mit dem Focal Point oder der KOST (Koordinationsstelle für Integration am Arbeitsplatz) eingeladen. Mit ihrer Expertise können neue Konzepte hinsichtlich „Selbstbestimmtes Leben“ entwickelt und umgesetzt werden. Ein weiterer Meilenstein in der „Begleiteten Praxis“ war der Besuch bei den Landtagklubs. Die Botschafter:innen hatten die Möglichkeit, sich vorzustellen und ihre Anliegen mit den Politiker:innen zu diskutieren. So erfuhren sie über mögliche Initiativen der Parteien. Die positive Nachricht erreichte uns gegen Ende des Jahres. Das Projekt wird im Jahr 2024 weitergeführt. Das Knowhow Anti-Diskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg wurde auch für den speziell konzipierten Workshop „Kompetent gegen Gewalt im Netz“ im Auftrag der Stadt Salzburg abgerufen. In Zusammenarbeit mit Akzente Salzburg – Medien und Gesellschaft wurden junge Menschen im Umgang mit Hass im Netz geschult.
In Kooperation mit der Plattform Menschenrechte fand im Herbst auch eine Fortbildung „Anti-Rassismus-Kompetenzen in Training, Beratung, Bildung“ statt, um der Nachfrage in dem Bereich ein Angebot zu setzen. Die Plätze waren überbucht, eine Neuauflage 2024 wäre wünschenswert.
Zum Monitoring aus der Beratung: Welche Themen wurden 2023 an die Anti-Diskriminierungsstelle herangetragen?
Über 50% der Meldungen betreffen eine Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit, das sind besonders rassistische Vorfälle. Rund ein Drittel der Meldungen kam von Menschen, die aufgrund einer Behinderung eine Diskriminierung erfahren haben. Dieser Bereich hat im Vergleich zu den Vorjahren eine deutliche Steigerung erfahren. Ein Drittel der Meldungen haben mit dem Merkmal Geschlecht zu tun, rund 10% der Meldungen mit der Religionszugehörigkeit. Die Meldungen mit den Merkmalen Alter und sexuelle Orientierung weisen bei der AD-Stelle 2023 geringe Fallzahlen auf.
Viele Fälle sind geprägt von Intersektionalität. Das heißt am Beispiel der Diskriminierung einer Frau, die Kopftuch trägt, dass diese Diskriminierung sie trifft, weil sie eine muslimische Frau ist, die auch als „Ausländerin“ gelesen wird. Drei Dimensionen (Geschlecht, Religion, ethnische Zugehörigkeit) sind ursächlich für die Diskriminierung dieses Menschen.
Es haben sich 2023 ein Drittel Männer und zwei Drittel Frauen an die Anti-Diskriminierungsstelle gewendet. Die Hälfte der Meldungen kam von Österreicher*innen / EU-Bürger*innen, die andere Hälfte von Drittstaatsangehörigen.
Wie interpretieren wir diese Zusammensetzung an Meldungen?
Die Anti-Diskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg ist eine sehr kleine Beratungsstelle, unsere Fallzahlen sind nicht repräsentativ. Allerdings können wir Phänomene beschreiben, die uns in der Arbeit auffallen.
Zu den Rassismus-Meldungen: In unserer Gesellschaft dreht viel um die Frage, wer dazu gehört und wer nicht. People of Color bekommen täglich direkte und indirekte Rückmeldungen, „anders“ zu sein, nicht dazu zu gehören. Menschen, die „fremd“ gelesen werden, zum Beispiel aufgrund des Namens oder des Akzentes in der Sprache erfahren Diskriminierung und Ausgrenzung am Arbeitsmarkt, am Wohnungsmarkt, beim Zugang zu verschiedenen Bildungsformen, usw.
In diesem Bereich braucht es umfangreiche Sensibilisierungs-Arbeit und Empowerment-Räume. Im vergangenen Jahr 2023 haben sich einige Organisationen und Gruppen für gemeinsame Anti-Rassismusarbeit mit der Anti-Diskriminierungsstelle getroffen, insbesondere die Plattform Menschenrechte, das Afro-Asiatische Institut, das Friedensbüro Salzburg, sowie der BIPOC Circle.
Zu den Meldungen von Menschen mit Behinderung: Viele der Meldungen in der Anti-Diskriminierungsstelle aus diesem Bereich kamen von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Viele Systeme (Gesundheit, Bildung, Beratung) nehmen auf die Krankheitsbilder wenig Rücksicht oder haben nicht die Kapazitäten, einen adäquaten, die Menschenwürde achtenden Umgang zu finden. Ein beachtlicher Teil der Meldungen betreffen den Zugang von jungen Menschen mit Behinderung ins Bildungssystem, denen die Teilnahme an regulären Bildungswegen erschwert oder gar verwehrt wird.
Im Inklusionsbereich arbeitet die Anti-Diskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg mit knackpunkt: Selbstbestimmt Leben Salzburg zusammen, um das beidseitige Knowhow effizient zu nutzen. Auch die Zusammenarbeit mit der neuen Behindertenanwältin und dem Focal Point des Landes Salzburgs wurde verstärkt.
Obwohl die Fallzahlen im Bereich Trans/Inter-Geschlechtlichkeit und sexuelle Orientierung gering sind, bemerken wir, dass es in diesem Bereich tagtäglich zu Diskriminierungen auch in Salzburg kommt. In Bildungsprojekten merken wir, dass seitens der Schüler*innen das Bewusstsein zum Thema stark steigt, nicht immer aber die Akzeptanz. Hier suchen wir die Zusammenarbeit mit der HOSI Salzburg, die für LGBTIQA+ Themen DIE kompetente Anlaufstelle ist.
In welchen Bereichen werden Menschen diskriminiert?
Die Meldungen zu Diskriminierungen teilen sich recht gleichmäßig auf die Bereiche Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesundheitsbereich und Alltagswelt auf.
Beispiele aus der Arbeitswelt sind rassistische Belästigungen am Arbeitsplatz, der sehr schwierige Zugang für Menschen mit Behinderung zu einem Arbeitsplatz genauso wie die Verweigerung einer Ausbildung aufgrund des Kopftuchs.
Im Bereich Wohnen sind es bürokratische Zugangshürden genauso wie der Eindruck, zu einer Wohnung nicht gekommen zu sein, weil man den „falschen Nachnamen“ hat oder mit Akzente gesprochen hat. Diese Art der Diskriminierung konnte die Gleichbehandlungsanwaltschaft mit einer 2023 von SORA durchgeführten Studie handfest nachweisen.
Im Bereich Bildung gab es einige Meldungen, bei denen Inklusion von jungen Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen im regulären Bildungssystem nicht möglich war. Beispiele der Diskriminierungen im Alltag sind rassistische und sexistische Belästigungen im öffentlichen Raum.
In einem Drittel der Meldungen war es der Umgang bei Behörden oder behördliches Vorgehen, die Teil des diskriminierenden Systems waren, das schließt auch polizeiliches Handeln ein. Bei einem Viertel der Meldungen gab es auch begleitende Rechtsfragen zu klären.
Vernetzte Arbeit
Bei gut einem Drittel haben wir Klient*innen auch zu anderen Stellen weitervermittelt, allen voran der Unabhängigen Rechtsberatung der Diakonie in Sachen Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsrechtsmaterien.
Stärkend für die Anti-Diskriminierungsarbeit in Salzburg ist die Zusammenarbeit mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft und dem Klagsverband. Einige Klient*innen haben gute Erfahrungen gemacht mit rechtlicher Unterstützung der Arbeiterkammer Salzburg. Verlässliche Partnerinnen sind auch der Frauentreffpunkt, das Männerbüro und die Unabhängige Rechtsberatung der Diakonie, zu denen wir regelmäßig Klient*innen auch weiter verweisen.
Zweimal wurde die AD-Stelle auch zu Lehrveranstaltungen an der Uni Salzburg, bzw. der PH Salzburg eingeladen, beides sehr produktive Nachmittage mit zukünftigen Lehrer*innen.
Herausfordernd bleibt der strukturelle Charakter vieler Diskriminierungen, die einerseits durch gesetzliche Vorgaben und/oder deren restriktiven Auslegung geprägt sind. Aber auch sozialisierte und unreflektierte Einstellungen in allen Dimensionen wirken sich in vielen Prozessen des Alltags aus und bewirken rassistisches Verhalten, geschlechts-stereotype Erwartungen, inklusions-feindliche Vorgehensweisen, um nur einige zu nennen.
Barbara Sieberth war bis Oktober 2023 die Beraterin der Anti-Diskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg. Sie ist ehrenamtliche Co-Sprecherin der Plattform Menschenrechte und leitet die „Begleitete Praxis“ der Inklusionsbotschafter*innen. Seit Oktober 2023 hat Selina Oberortner die Beratungsstelle übernommen.
Hier lesen Sie den ganzen Salzburger Menschenrechts-Bericht 2023.