Morgen Freitag findet in Wien die vom Klagsverband veranstaltete Fachtagung „Keine Atempause. Geschichte wird gemacht.“ statt. Namhafte Expertinnen und Experten werden dabei über die vergangenen zehn Jahre Bilanz ziehen, in denen das Gleichstellungsrecht in Österreich maßgeblich erweitert wurde. Aber auch das 10-jährige Gründungsjubiläum des Klagsverband wird im Rahmen der Tagung gewürdigt.
Neues Rechtsgebiet seit 2004
Während bis 2004 nur die Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsplatz gesetzlich geregelt war, kann seither auch vor Gericht ziehen, wer wegen seiner ethnischen Herkunft, seiner Religion und Weltanschauung, seines Alters oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert wurde. Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit sind auch außerhalb des Arbeitsplatzes verboten. Mit dem Behindertengleichstellungsrecht wurde das Gleichstellungspaket in Österreich dann 2006 vervollständigt.
Klagsverband: Musterprozesse und Rechtspolitik
Der Klagsverband wurde ebenfalls 2004 gegründet, um Musterprozesse im Rahmen des Antidiskriminierungsrechts zu führen und Informations- und Bewusstseinsarbeit für die Antidiskriminierungsgesetzgebung zu machen. Mit Stellungnahmen und Schattenberichten versucht die NGO, die Weiterentwicklung des Antidiskriminierungsrechts positiv zu beeinflussen. Der Dachverband, zu dem derzeit 36 Mitgliedsorganisationen gehören, führt jährlich rund fünf Gerichtsverfahren, um diskriminierten Einzelpersonen zu ihrem Recht zu verhelfen und um Judikatur in diesem Bereich zu schaffen. Von 2004 bis Ende 2013 hat der Klagsverband 41 Verfahren vor Gerichten in ganz Österreich geführt. Schwerpunkte waren dabei die Diskriminierungsgründe Behinderung und ethnische Zugehörigkeit. So wurden in den letzten Jahren zum Beispiel insgesamt 17 Personen vom Klagsverband vertreten, die aus rassistischen Gründen nicht in eine Disko oder einen Club eingelassen wurden.
Aber auch ein homosexueller LKW-Fahrer, der am Arbeitsplatz belästigt und diskriminiert wurde, konnte mit Unterstützung des Klagsverbands einen Schadenersatz einklagen. Ein Drittstaatsangehöriger aus Niederösterreich hat mit Hilfe des Klagsverbands Recht bekommen und erhält nun so wie österreichische StaatsbürgerInnen und EU-BürgerInnen die niederösterreichische Pendlerhilfe. Eine konfessionslose Wienerin, die in einem katholischen Spital trotz entsprechender Qualifikationen nicht für eine Stelle genommen wurde, konnte ihr Recht ebenfalls geltend machen.
„Seit unserer Gründung konnten wir nicht nur zahlreichen Personen, die diskriminiert wurden, zu ihrem Recht verhelfen, sondern den gesamten Justizbereich für die neue Materie sensibilisieren“, erklärt Generalsekretär Volker Frey. Allerdings wolle man bei der Tagung nicht nur ein Loblied auf die Gesetzeslage singen, denn in manchen Bereichen würde noch großer Verbesserungsbedarf bestehen.
Barrieren bleiben ebenso wie unterschiedliche Schutzniveaus
So hätten Menschen, die wegen einer Behinderung diskriminiert wurden, nach wie vor keinen Rechtsanspruch auf die Beseitigung der Barriere. „Stufen, fehlende Untertitel oder andere Barrieren lassen sich mit einem Schadenersatz nicht beseitigen“, so Frey. Hier sei es längst an der Zeit, Menschen mit Behinderungen ihre Rechte zukommen zu lassen. Eine weitere Langzeit-Forderung des Klagsverbands, die auch von internationalen Gremien immer wieder untermauert werde, sei die Harmonisierung des Diskriminierungsschutzes außerhalb des Arbeitsplatzes. Hier gelte der Schutz nur bei Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und des Geschlechts. Wer wegen seiner sexuellen Orientierung, seines Alters oder seiner Religion benachteiligt wird, habe keine Handhabe.
Verbesserungsbedarf zentrales Thema bei Tagung
Die Fachtagung bietet Gelegenheit, sich mit diesen rechtlichen Defiziten auseinander zu setzen. Aber auch die Frage, wie das Antidiskriminierungsrecht dazu beitragen kann, menschenrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, wird morgen diskutiert werden.