Sachverhalt
Herr H ist gehörlos und gehört dem Kreis der begünstigten Behinderten an. Er war als Arbeiter in einer Beschriftungsfirma beschäftigt. Für sein Arbeitsverhältnis wurde eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart. Sein Tätigkeitsbereich umfasste das Beschriften von Autos und Schildern mit Folien. Bereits kurze Zeit nach seiner Einstellung erhielt Herr H nur sehr wenige Arbeitsaufträge, er wurde vom innerbetrieblichen Informationsfluss ausgeschlossen und in keine neuen Arbeitstechniken (z. Bsp. Bekleben eines ganzen Autos) eingeführt, obwohl er den Vorgesetzen ausdrücklich darum gebeten hat. Herr H wollte den Firmenchef davon informieren, doch dieser wimmelte den Gehörlosen stets ab. Mittels SMS wurde er dann von der Arbeitsassistenz, die ihm den Job auch vermittelt hat, zu einem Termin gebeten. In diesem Gespräch wurde dem gehörlosen Mann mitgeteilt, dass der Firmenchef mit seiner Arbeit unzufrieden sei und er gekündigt werden soll. Seitens der Arbeitsassistenz wurde Herrn H geraten einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen. Er vertraute auf diese Beratung und unterschrieb einen Vertrag zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Schlichtung
Mit der Unterstützung des ÖGLB und des Klagsverbandes leitete Herr H eine Schlichtung beim Bundessozialamt ein. Er brachte in seinem Schlichtungsantrag vor, dass durch das unerwünschte, unangebrachte und anstößige Verhalten (er bekam keine Arbeitsaufträge zugewiesen und die Kollegen kommunizierten nicht mit ihm) aufgrund seiner Gehörlosigkeit ein einschüchterndes, feindseliges und demütigendes Arbeitsumfeld geschaffen. Der gehörlose Mann fühlte sich von den Mitarbeitern und dem Firmenchef im Sinne des § 7d Abs. 1 und 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) belästigt. Er erwartete sich vom Dienstgeber eine schriftliche Entschuldigung und zum Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung einen angemessenen Schadenersatz in der Höhe von 720,- €.
Im Schlichtungsverfahren vertrat die Firma den Standpunkt, dass eine ausreichende Kommunikation und Information stattgefunden hat und Herr H entlassen wurde, weil er viele Fehler bei der Arbeit machte und die Auftragslage der Firma nicht gut war und ist. Letztendlich konnten sich die Schlichtungsparteien aber auf eine Schlichtungsvereinbarung mit dem Inhalt einigen, dass der gehörlose Mann eine schriftliche Entschuldigung und eine Einmalzahlung in der Höhe von 100,- € binnen einer 14-tägigen Frist von der Firma erhält.
Kommentar
Die Firma hat die Schlichtungsvereinbarung eingehalten. Herr H ist nicht unzufrieden mit dem Ergebnis der Schlichtung, er hätte sich jedoch auch etwas Einsichtsfähigkeit seitens der Firma gewünscht. Allein der Umstand, dass der Firmenchef jedes Gespräch mit Herrn H vermied und ihn sozusagen abwimmelte und die Kündigungsabsicht nur über die Arbeitsassistenz an den gehörlosen Mann herangetragen wurde, zeigt die fehlende Kommunikation und damit die Belästigung aber eindeutig auf.
Grundsätzlich soll die schlichtende Person zwischen den Parteien vermitteln und eine neutrale Position einnehmen. In diesem Fall war es aber so, dass sie im Schlichtungsgespräch zumeist die Ansicht der Firma unterstütze. Zudem gab sie ihre persönliche Einschätzung darüber ab, dass Herr H vor Gericht wohl eine Diskriminierung kaum beweisen können wird. Aus diesem Grund sah sich die Firma mit ihrem Standpunkt im Recht und bot trotz des gesetzlich fixierten Mindestschadenersatzes von 720,- € nur einen Betrag 100,- € an.