Entscheidung: Landesgericht für ZRS Wien 35 R 104/07i
Leitsatz:
Der Ausruf „… wir verkaufen nicht an Ausländer“ in Verbindung mit einem Fußtritt und einem Faustschlag ins Gesicht stellt eine unmittelbare Diskriminierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit gemäß § 31 Abs. 2 Z. 4 und § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) dar. Er berechtigt gemäß § 35 Abs. 1 und 2 GlBG zum angemessenen Schadenersatz.
Sachverhalt:
Die Klägerin besuchte gemeinsam mit einer Freundin und ihrem im Kinderwagen sitzenden Sohn das Geschäft des Sohns des Beklagten. Sie probiert dort Kleidungsstücke, im speziellen einen hellen langen Mantel. Als ihr Sohn im Kinderwagen begann, unruhig zu werden, beugte sich die Klägerin zu ihm. Der Kinderwagen war aufgrund der Witterungsverhältnisse schmutzig. Daher forderte die Verkäuferin die Klägerin auf den Mantel auszuziehen. In diesem Moment kam der Beklagte dazu, packte die Klägerin am linken Oberarm und forderte sie auf, den Mantel auszuziehen. Die Klägerin kam dieser Aufforderung nach, übergab den Mantel mit einer energischen Handbewegung an den Beklagten und begab sich mit ihrer Freundin Richtung Ausgang. Dies kommentierte der Beklagte laut mit der Bemerkung: „Wir verkaufen nicht an Ausländer“. Die Klägerin fragte daraufhin in Richtung Beklagten: „Bist Du deppert?“. Diese Bemerkung wurde vom Beklagten mit einem Fußtritt gegen die Klägerin quittiert. Als sich diese zur Abwehr umdrehen wollte, schlug ihr der Beklagte mit der Faust ins Gesicht. Nach Verlassen des Geschäfts wurde der Klägerin aufgrund der Vorkommnisse schwindlig, sie rutschte aus und fiel zu Boden. Die von der Freundin herbeigerufene Rettung brachte die Klägerin ins AKH, wo eine Schädelprellung und Prellungen der Lendenwirbelsäule diagnostiziert wurden.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 31 Abs. 1 Z. 4 Gleichbehandlungsgesetz darf niemand aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu oder der Versorgung mit Gütern, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, diskriminiert werden. Gemäß § 32 liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt.
Durch den Satz „Wir verkaufen nicht an Ausländer“ und die körperlichen Attacken hat der Beklagte ein Verhalten gesetzt, dass die Beklagte im Sinne der §§ 31, 32 GlBG vom Zugang zu Gütern ausgeschlossen hat. Gemäß § 35 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschaden und eine Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung.
Kommentar:
Die Beweiswürdigung des Erstgerichts, die vom Berufungsgericht bis auf eine kleine Abweichung übernommen und der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, ist nachvollziehbar.
Allerdings ist nicht nachzuvollziehen, weshalb das Berufungsgericht zwar einen Anspruch auf Schadenersatz anerkennt, jedoch nur einen Betrag von € 800,- zuspricht. Das Berufungsgericht schlüsselt den zugesprochenen Betrag nicht nachvollziehbar auf, sondern meint, dass dieser gemäß der dem Gesetz zugrunde liegenden Richtlinie 2000/43/EG „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein muss. Als Vergleichsmaßstab verweist es auf die Höhe des Schadenersatzes in Fällen von Haftentschädigung. Insbesondere erscheint der Hinweis, dass sich die Wirksamkeit des zuerkannten Schadenersatzes „…jedoch erst in einem allfälligen … Vollstreckungsverfahren herausstellen“ wird, unverständlich.
Es kann damit wohl nur gemeint sein, dass die Wirksamkeit nur dann gegeben ist, wenn der Beklagte aufgrund der Zahlung des zugesprochenen Betrages von weiterem diskriminierenden Verhalten Abstand nimmt.
Diesem abschreckenden Charakter des zugesprochenen Betrages folgend sollte die Höhe des immateriellen Schadenersatzes an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der TäterInnen zu messen sein. Mögliche Erschwerungs- und Milderungsgründe könnten im Umsatz des betroffenen Unternehmens, in der Kumulierung von unmittelbarer/mittelbarer Diskriminierung und Belästigung, der Dauer/Häufigkeit der Diskriminierung, der Schwere des Verschuldens, der Erheblichkeit der Beeinträchtigung, der Einsicht des Täters im Verfahren oder im Vorliegen von Mehrfachdiskriminierung gefunden werden.
Darüber hinaus sollte der Betrag aber auch dem Opfer einen angemessenen Ausgleich für die
erlittene Belästigung bieten. Dies wird vom Berufungsgericht zwar erkannt und zugebilligt, doch findet sich kein Hinweis darauf, wie sich nun der zugesprochene Betrag errechnet.
Das Berufungsgericht lässt auch die Frage offen, ob der zugesprochene Schadenersatz lediglich für die Diskriminierung bei dem Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen gemäß § 31 Abs. 1 Z. 4 GlBG oder auch für die Belästigung gemäß § 34 Gleichbehandlungsgesetz zugesprochen wurde. Es behauptet stattdessen lapidar, dass die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung am festgestellten Sachverhalt vorbei gingen. Es werden in derartig gelagerten Fällen wohl immer beide Tatbestände vorliegen. Offen bleibt jedoch die Frage, ob die Rechtsfolgen aus Abs. 1 und Abs. 2 unabhängig voneinander bestehen. Die Lösung dieser Frage wäre in Anbetracht dessen, dass es sich um das erste Gerichtsverfahren nach dem 3. Teil des Gleichbehandlungsgesetzes handelt, von wesentlicher Bedeutung gewesen.
Erfreulich ist, dass das Berufungsgericht eindeutig ausführt, dass das Vorliegen einer ethnischen Diskriminierung keinesfalls davon abhängt, ob der/die von der Diskriminierung Betroffene tatsächlich Ausländer/in ist, sondern dass es immer nur relevant ist, ob der/die Betroffene aufgrund ihres Aussehens, der Sprache oder anderer Merkmale fremd erscheint.
Positiv ist auch der ausdrückliche Hinweis darauf, dass eine behauptete Diskriminierung nicht deshalb unglaubhaft ist, weil die diskriminierende Person in anderen Situationen einen vorurteilslosen Umgang mit Menschen anderer Herkunft hat. Die Entscheidung beurteilt die Diskriminierung durch den Beklagten nur im konkreten Einzelfall. Sein generelles Verhalten gegenüber Menschen fremdländischer Herkunft ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.
Es bleibt daher zu hoffen, dass mit der Zunahme an derartigen Verfahren die Frage der Höhe und Grundlage der Schadenersatzansprüche zu genaueren und einheitlichen Lösung führt. Diesbezüglich verweisen wir auch wieder auf unsere Forderung einer österreichweiten Veröffentlichung sämtlicher Urteile nach den Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsgesetzen, damit sich eine einheitliche und angemessene Rechtsprechung entwickeln kann.