Sachverhalt
Frau Dr. Z ist Ärztin für Allgemeinmedizin. Sie ist österreichische Staatsbürgerin und trägt aufgrund ihres muslimischen Glaubensbekenntnisses ein Kopftuch. Im Frühjahr 2008 bewarb sie sich auf eine in der österreichischen Ärztezeitung ausgeschriebene Stelle als Kurärztin. Der leitende Kurarzt schlug Frau Z dem Vorstand als geeignete Bewerberin vor, worauf ein zweites Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens stattfand. Zu diesem Termin kam die Ärztin in Begleitung einer Vertrauensperson, weil der leitende Kurarzt andeutete, dass der Vorstandsdirektor sicher ein Problem mit ihrem Kopftuch haben wird. Der Ärztin wurde mitgeteilt, als sie gut qualifiziert ist und dass sie gerne die Kurarztstelle bekommen kann. An die Einstellung knüpfte der Vorstandsdirektor aber die Bedingung, dass Frau Z während der Arbeit auf ihr Kopftuch verzichtet. Er begründete seine Ansicht mit der Einhaltung der im Unternehmen geltenden Bekleidungsvorschriften und mit den Wünschen der Kurgäste. Für ihre Entscheidung stellte der Vorstandsvorsitzende der Ärztin ein Ultimatum von acht Tagen.
Daraufhin wandte sich Frau Z an die Gleichbehandlungsanwaltschaft, welche ein Interventionsschreiben an den Vorstand verfasste und ihn darauf hinwies, dass hier eine Diskriminierung aufgrund der Religion vorliegt, die einen Anspruch auf Schadenersatz begründet. Der Vorstand wurde aufgefordert von seiner Position Abstand zu nehmen und der Ärztin eine faire Chance im Unternehmen zu geben. Leider ohne Erfolg. Der Vorstandsvorsitzende rückte von seiner Position nicht ab. Sohin wurde Frau Z nicht eingestellt, woraufhin die Kurarztstelle erneut ausgeschrieben wurde.
Gerichtsverfahren
Die Ärztin reichte mit Unterstützung des Klagsverbandes Klage beim Arbeits- und Sozialgericht. Es wurde eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion geltend gemacht und ein immaterieller Schadenersatz von zwei Monatsentgelten in der Höhe von 4.500,- € gefordert. Noch vor der ersten Verhandlung zahlte die gegnerische Partei der Ärztin einen Betrag von 2.250,- € (ein Monatsentgelt). In der vorbereitenden Tagsatzung bot die Rechtsvertretung des Unternehmens im Rahmen der Vergleichsverhandlungen einen Betrag in Höhe von 500,- € an, deren Annahme die Klägerin ablehnte. Die beklagte Partei bestritt den Sachverhalt und damit die unmittelbare Diskriminierung nicht, lehnte aber einen Schadenersatzanspruch, der über ein Monatsentgelt hinausgeht ab. Sie begründete ihre Ansicht mit dem zum Anlassfall geltenden Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), das einen Mindestschadenersatz von lediglich einem Monatsentgelt vorsah. Vor der zweiten Verhandlung gab es mehrere Vergleichsangebote der beklagten Partei, jedoch geknüpft an die Bedingung, dass Frau Z auch den Antrag bei der Gleichbehandlungskommission zurückzieht. Die Klägerin lehnt einen derartigen Vergleich ab. Noch vor der zweiten Verhandlung zahlte die Gegenseite den gesamten geforderten Schadenersatz in der Höhe von 4.500,- € samt Zinsen und Verfahrenskosten. Die Klagsforderung war damit erfüllt und die Streitparteien vereinbarten das in einem solchen Fall prozessual übliche ewige Ruhen des Verfahrens. Das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission endete mit einem Prüfungsergebnis , in dem die Disktiminierung der Ärztin festgestellt wird.
Kommentar
Auch wenn es in diesem Verfahren zu keinem Urteil kam, in dem die unmittelbare Diskriminierung der Ärztin aufgrund ihrer Religion „schwarz auf weiß“ festgestellt wurde, so lässt doch die Zahlung der gesamten Klagsforderung durch die beklagte Partei keinen Zweifel daran, dass dem Unternehmen bewusst ist, dass Frau Z durch die Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden unmittelbar aufgrund der Religion diskriminiert wurde. Ganz erschreckend ist an diesem Fall jedoch die Sichtweise des Unternehmens und die Beharrlichkeit, trotz der Intervention der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Es ist völlig unbegreiflich, dass es immer noch Führungskräfte gibt, denen das Gleichbehandlungsgesetz unbekannt zu sein scheint und die ihre Ansichten mit Bekleidungsvorschriften und Gästewünschen zu rechtfertigen versuchen. Eine unmittelbare Diskriminierung kann aber sachlich nicht gerechtfertigt werden.
Unstrittig ist in diesem Fall, dass Frau Z die Stelle als Kurärztin bei diskriminierungsfreier Auswahl erhalten hätte. Ihr steht daher ein Ersatzanspruch gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 GlBG in der Höhe von mindestens einem Monatsentgelt zu. Erst ab dem 1.8.2008 und damit nach der Diskriminierung der Ärztin erhöhte der Gesetzgeber den Mindestschadenersatz auf zwei Monatsentgelte. Das Frau Z jedoch trotzdem zwei Monatsentgelte fordert ist berechtigt, denn der gesetzlich fixierte Schadenersatz ist lediglich ein Mindestbetrag, der nach oben in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nach oben keine Begrenzung erfährt. Mangels Judikatur über die „Umrechnung“ des ideellen Schadens in Geld müssen jedenfalls die Umstände des Einzelfalls herangezogen werden. In ihrem Kopftuch sieht die Klägerin einen unverzichtbaren Teil ihrer persönlichen Glaubensidentität. Frau Z nimmt für sich die Ausübung der Religionsfreiheit in Anspruch; das Verbot der beklagten Partei, das Kopftuch im Dienst nicht tragen zu dürfen, verletzt ihr Persönlichkeitsrecht auf freie Religionsausübung. Der Ärztin eine derartige Entscheidung aufzuerlegen ist moralisch verwerflich und stellt einen Akt der Demütigung dar. Zudem wurde sie dadurch in einen unlösbaren Gewissenkonflikt gebracht und fühlte sich durch die Äußerungen der beklagten Partei im Vergleich zu nicht diskriminierten Personen als sozial untergeordnet, aus der Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen und menschlich weniger wert. Zwei Monatsentgelte zu fordern war für österreichische Verhältnisse ein hoher Betrag, aber dem Sachverhalt mehr als angemessen und die Zahlung durch das Unternehmen spricht für sich.