Entscheidung: GBK III/4/05
Leitsatz:
Die Aussage, ein Rassist zu sein, muss im Zusammenhang mit der Gesamtsituation gesehen werden. Es sei dann nicht auf den Empfängerhorizont abzustellen, wenn der Adressat aus dem Zusammenhang hätte erkennen müssen, dass die Äußerung nicht ernst zu nehmen ist. In diesem Fall liegt keine Diskriminierung vor.
Sachverhalt:
Der Antragsteller, ein senegalesischer Staatsbürger mit dunkler Hautfarbe, wollte einen Dienstwagen seines Arbeitgebers zur Reparatur einer Stoßstange in die Reparaturwerkstätte des Antragsgegners bringen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, kam der Antragsteller zu dem von seinem Arbeitskollegen vereinbarten Termin um eine Dreiviertelstunde zu spät. Der Antragsgegner verweigerte jedoch die Reparatur, da er einen Termin für einen Arztbesuch vereinbart hatte und verwies den Antragsteller an seine Frau, damit ein Ersatztermin vereinbart werde. Nach Vereinbarung eines neuerlichen Termins gab der Antragsgegner jedoch bekannt, dass er auch zu diesem Termin nicht zu einer Reparatur bereit wäre. Auf die Frage des Antragstellers gab der Antragsgegner zu, ein Rassist zu sein und deshalb die Reparatur nicht durchführen zu wollen. Dies heizte die Situation weiter auf und der Antragsteller wurde vom Antragsgegner aufgefordert, das Gelände zu verlassen, wobei er ihn auch stieß. Daraufhin rief der Antragsteller die Polizei, die kurz darauf erschien, jedoch den Antragsteller ignorierte und davon ausging, dass sie vom Antragsgegner herbeigerufen worden sei. Dadurch fühlte sich der Antragsteller noch zusätzlich ungleich behandelt, es kam noch zu einem zusätzlichen Konflikt zwischen dem Antragsteller und den herbeigerufenen Polizisten.
Rechtliche Beurteilung:
Der Senat III vertrat die Auffassung, dass keine Diskriminierung und auch keine Belästigung gegenüber dem Antragsteller vorgelegen sei. Im Wesentlichen meinte der Senat, dass wohl ein Missverständnis vorgelegen sei und der Antragsgegner die Aussage, er sei ein Rassist, nicht ernst gemeint habe. Auch wenn davon auszugehen sei, dass beim Tatbestand der Belästigung auf den Empfängerhorizont abzustellen sei, würdigte der Senat die Aussagen aller Beteiligten dahingehend, dass der Antragsteller die mangelnde Ernsthaftigkeit der Äußerung des Antragsgegners hätte erkennen müssen „!??“
Kommentar:
Gleich vorweg ist festzuhalten, dass dieser und ähnliche Sachverhalte viel besser im Rahmen einer Schlichtung gelöst werden könnten. Geht man tatsächlich davon aus, dass die Situation nur deshalb eskaliert ist, weil beide Beteiligten von irrigen Annahmen ausgegangen sind (verspätetes Erscheinen zum Reparaturtermin von Seiten des Antragstellers, Arzttermin des Antragsgegners, rassistische Einstellung des Antragsgegners), wären diese Missverständnisse nachträglich aufklärbar gewesen. Die nach dem Behindertengleichstellungsgesetz durchgeführten Schlichtungen haben wiederholt bewiesen, dass auf diesem Weg kreative, für die Diskriminierungsopfer annehmbare und ausgleichende, Lösungen gefunden werden.
§ 16 der Geschäftsordnung der GBK sieht die Möglichkeit zur Bildung von Ausschüssen vor. Es besteht somit die rechtliche Grundlage dafür, einzelne Verfahren in einem kleineren Rahmen durchzuführen. Es könnte dem Antragsteller freigestellt werden, an den Senat den Antrag auf Einberufung eines Schlichtungsausschusses zu stellen. Der Senat könnte drei seiner aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung geeignete Mitglieder ernennen, die ähnlich dem § 14 BGStG ein Schlichtungsverfahren durchführen oder auch Mediation anbieten. Bei der Auswahl der Senatsmitglieder könnte vorab schon darauf Bedacht genommen werden, dass für diese Aufgaben geschulte Mitglieder aus den Interessenvertretungen herangezogen werden.
Diese Vorgangsweise würden in bestimmten Fällen den Vorteil eines weitaus weniger schwerfälligen und kurzen Verfahren bieten und auf Seiten der Diskriminierenden ein nachhaltigeres Unrechtsbewusstsein und auf Seiten der von Diskriminierung Betroffenen ein versöhnlicheres, respektvolles Klima schaffen.
Kritikwürdig erscheint auch die Durchführung des Beweisverfahrens durch den Senat III. Trotz der im § 35 Abs. 3 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) vorgesehenen Beweislasterleichterung für den Antragsteller, nach welcher der Antragsteller seine Version lediglich glaubhaft machen muss und der Antragsgegner darlegen muss, weshalb seine Darstellung wahrscheinlicher ist, folgte der Senat vollinhaltlich nur den Angaben des Antragsgegners und unterstellte dem Antragsteller Verhaltensweisen, die im Beweisverfahren nicht objektiviert wurden (Gleichgültigkeit des Antragstellers gegenüber dem persönlichen Arzttermin des Antragsgegners, Zuspätkommen des Antragstellers, Gestaltung des Ersatztermins).
Der Senat III spricht zwar explizit aus, dass es beim Tatbestand der Belästigung gemäß § 34 GlBG darauf ankommt, wie eine Äußerung oder Handlung beim Adressaten (Empfängerhorizont) ankommt, meint aber im gleichen Satz, dass der Antragsteller erkennen hätte müssen, dass die Bejahung der Frage, ob der Antragsgegner Rassist sei, nicht ernst gemeint war. Zumindest wäre es Aufgabe der GBK gewesen, festzustellen, wie das Verhalten und die Äußerung des Antragsgegners beim Antragsteller angekommen sind, ob dadurch seine Würde verletzt und ein für ihn im Sinne des § 34 GlBG unangenehmes Umfeld geschaffen wurden. Folgt man den Feststellungen im Prüfungsergebnis, dann ist dies aber nicht geschehen, sondern es wurde in interpretativer Weise den Angaben zugunsten des Antraggegners gefolgt.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die in diesem Fall besonders lange Verfahrensdauer von 15 Monaten.